Jetzt ist Hochsaison für Ohrstöpsel: fürs Fliegen, im Konzert, beim Schwimmen oder Schlafen.

Leben: Ricarda Stiller (rst)

Stuttgart - Kurz vor der Urlaubssaison werden die verschiedensten Ohrstöpsel nicht nur in Apotheken, Drogeriemärkten oder bei Hörgeräteakustikern angeboten, sondern auch als Sonderposten in Discountern. Wann aber ist es wirklich notwendig, den Gehörgang zu schützen oder zu verschließen? Wir haben darüber mit Assen Koitschev, dem Chefarzt des Stuttgarter Klinikums für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten (HNO) gesprochen.

 

Viele Menschen bekommen beim Fliegen Ohrenschmerzen, insbesondere bei der Landung treten die Beschwerden auf. Denn das ist der Moment, in dem der Luftdruck schnell wieder ansteigt – das Ohr kann sich so rasch nicht anpassen. Durch einen bewusst herbeigeführten Druckausgleich – also durch Gähnen, Schlucken oder Kaugummikauen – können die Beschwerden normalerweise relativ schnell gelindert werden. Rund 25 Prozent aller Kinder sind von den Schmerzen beim Landeanflug betroffen. Bei ihnen ist die für den Druckausgleich des Mittelohres zuständige Eustachische Röhre noch nicht richtig ausgebildet und zudem oftmals verstopft. Der Luftdruck in der Kabine eines Flugzeugs wird künstlich auf dem von etwa 3000 Meter über dem Meeresspiegel gehalten, obwohl die Flughöhe tatsächlich 10 000 Meter betragen kann. Bei einer Wanderung auf einen Berg oder der Fahrt mit der Gondel auf 3000 Meter kann sich das Ohr langsam an den niedrigeren Druck gewöhnen. Beim Abstieg aus dieser Höhe oder etwa beim Skifahren erfolgt der Druckausgleich so langsam, dass das Ohr keine Hilfsmittel benötigt.

Der Druckausgleich erfolgt hinter dem Trommelfell

Bei einem Landeanflug hingegen nimmt der Druck auf das Ohr in kürzester Zeit wieder den Bodenluftdruck an. Zwar helfen Schlucken, Gähnen und Kauen dabei, die Eustachische Röhre zu öffnen. Ist diese Verbindung zwischen dem Nasenrachen und dem Mittelohr jedoch blockiert – entweder dauerhaft bei einer Mittelohrbelüftungsstörung oder durch eine einfache Erkältung – wölbt sich das Trommelfell. Das Problem sei, so Assen Koitschev, dass man die Belüftungsfunktion nicht testen kann. Eins jedoch steht fest: „Der Druckausgleich erfolgt hinter dem Trommelfell und lässt sich nicht von Außen beheben.“ Der HNO-Arzt hält die Funktion von Druckausgleich-Ohrstöpseln für physikalisch unwahrscheinlich. Und wenn es nichts gibt, was wissenschaftlich erwiesenermaßen hilft, sei der Markt natürlich groß für Dinge, die helfen könnten.

Für ganz ausgeschlossen hält Koitschev die Wirkung jedoch nicht. Es könne durchaus sein, dass die Stöpsel als Puffer dienten und den Druckausgleich verlangsamen würden, sodass dies für die Betroffenen als Linderung empfunden würde. Fliegen: Ohrstöpsel, die Abhilfe versprechen sind mit speziellen Filtern beziehungsweise kleinen Ventilen ausgestattet und sollen dafür sorgen, dass ein langsamer und schonenderer Druckausgleich im Ohr erfolgt. Es gibt diese Stöpsel in verschiedenen Größen und von verschiedenen Herstellern zu kaufen.

Musik

Obwohl immer häufiger bei Pop- und Rockkonzerten kostenlos Ohrstöpsel verteilt werden, verzichten viele Konzertbesucher darauf, diese auch zu nutzen, um keine Einbußen im Klangerlebnis hinnehmen zu müssen. Denn gewöhnlicher Schaumstoff-Gehörschutz lässt die Musik meist dumpf und schwammig erklingen. Reine Watte schützt unter Umständen nicht genug und stärkerer Schutz wie Kapseln (Kopfhörer) oder Wachs (klassisches Ohropax) filtern schlichtweg zu viel, als dass man noch von einem Hörgenuss sprechen könnte. Deshalb gibt es auch für diesen Zweck speziellen Gehörschutz, der die Ohren zwar ausreichend schützt, das Gehörte jedoch nicht dumpf erklingen lässt. Durch auswechselbare Filter kann der Nutzer selbst entscheiden, wie viel Dezibel gedämmt werden sollen.

Kalte Luft/ Wind

Ob bei einem Spaziergang in den Herbst- oder Wintermonaten oder auf rauer See, immer wieder gibt es Situationen, in denen es zwar nicht kalt genug für eine Mütze ist, trotzdem aber ausreichend Gründe, seine Ohren vor (kalter) Zugluft zu schützen. Natürlich ist dies auch mit einem winddichten Stirnband möglich. Allerdings haben sich die Hersteller auch für diesen Zweck etwas überlegt. Sehr einfach und fast unsichtbar in der Anwendung ist die sogenannte Windwolle von Ohropax – das sind kleine Portionen aus weicher Schafwolle. Diese Wolle schützt auch bis zu einem gewissen Grad vor Wasser, während damit das Hören kaum eingeschränkt wird. Wer es nicht so gerne mag, sich etwas in den Gehörgang zu stopfen, kann es mal mit den „Ohrenmützchen“ versuchen. Sie werden unter dem Namen Earbags in verschiedenen Größen angeboten.

Wasser

Vor allem Kinder müssen häufig ihre Gehörgänge schützen. Entweder weil sie schlichtweg empfindliche Ohren haben, die sich schnell entzünden oder aber weil das Trommelfell beschädigt ist. Das kann verschiedene Ursachen haben. Häufige Mittelohrentzündungen, bei denen das Trommelfell aufgeht sind eine Möglichkeit. Leiden Kinder unter einer Belüftungsstörung des Mittelohres, dann werden oftmals vom Arzt kleine Titanröhrchen in das Trommelfell eingesetzt, damit die Belüftung erzwungen wird. In dieser Zeit müssen die Ohren der Kleinen bei jedem Duschen vor Wasser geschützt werden. Dazu eignen sich spezielle Ohrstöpsel, die dicht schließen. Neuere Studien zeigen, dass die Oberflächenspannung von reinem Wasser hoch genug ist, um nicht in das Röhrchen einzudringen. Da Seife die Oberflächenspannung des Wassers jedoch reduziert, empfiehlt sich der Schutz beim Haarewaschen, Duschen und in der Badewanne.

Lärm/ Schlaf

Meistens sind es die Schnarchgeräusche des Partners oder der Zimmergenossen, die einen zu Ohrstöpseln für die Nacht greifen lassen. Ob auf Freizeiten, in Jugendherbergen, beim Zelten, auf dem Schiff – es gibt viele Situationen, in denen der Schlaf gestört werden kann. Bei manchen ist es vielleicht auch die stark befahrene Straße vor der eigenen Haustür, die Straßenbahn oder die Musik des Nachbarn. Je nachdem, wie stark der Schall gedämmt werden soll – manche Stöpsel schaffen in bestimmten Frequenzbereichen bis zu 40 Dezibel Lärmminderung – kommen unterschiedliche Modelle in Frage. Die einen vertrauen auf das klassische Ohropax: innen Wachs, umhüllt von einer Schicht Watte. Die Wachskugeln lassen sich in der Hand formen und passen sich gut der Form des Gehörgangs an. Sehr ähnlich (nur ohne Watte) funktioniert der Gehörschutz aus Silikon, dämmt jedoch weniger stark. Die Stöpsel aus Schaumstoff sind simpel, recht günstig und unkompliziert in der Anwendung, dämmen aber nur schwach. Wer die Schalldämpfung nicht nur für den Urlaub benötigt, sondern dauerhaft, der kann die Modelle mit weichen Lamellen aus einem speziellen Gummi ausprobieren. Diese lassen sich gut reinigen und können bei guter Pflege bis zu einem Jahr lang verwendet werden. Sie haben neben einem angenehmen Tragegefühl hohe Dämmwerte und verfügen zum Teil über einen Belüftungskanal für die Wärmeabfuhr aus dem Ohr.