Die Schwarzwald-Touristiker können Rekorde bei Übernachtungen und Gästezahlen vermelden. Ihr Marketingziel heißt Nachhaltigkeit. Bei der Tagung im badischen Bühl wiesen Experten darauf hin, dass
Naturschutz allein nicht mehr Touristen anlockt.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Bühl - Das Jahr 2014 war für den Schwarzwald ein Rekordjahr mit 7,62 Millionen Urlaubern, das sind 220 000 Gäste mehr als im Vorjahr. Die Gesamtzahl aller Gästeankünfte ist höher als je zuvor und die Ferienregion verbucht 42 Prozent aller Übernachtungen im Bundesland. Der Schwarzwald ist laut einer Tourismusstudie für 93 Prozent aller Deutschen ein „denkbares Reiseziel“ und liegt damit gleich hinter der Ostsee. Tatsächlich reisen aber mit Schweizern, Franzosen, Holländern, neuerdings auch vielen Israelis mehr und mehr ausländische Gäste an.

 

Mit den guten Zahlen konnte die Schwarzwald Tourismus GmbH (STG) aufwarten, die Marketing- und Dachorganisation des 11 000 Quadratkilometer großen Landstrich rechts des Rheins zwischen Waldshut-Tiengen im Süden und Karlsruhe im Norden. Gesellschafter sind zwölf Landkreise. Der Tourismus im Schwarzwald steht für eine Nettowertschöpfung von 2,8 Milliarden Euro und gut 400 000 direkt und indirekt profitierenden Arbeitsplätzen. „Der Schwarzwald ist gut aufgestellt und hat seine Marktposition gestärkt“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende, der Ortenauer Landrat Frank Scherer, bei der Jahrestagung der STG in Bühl. Dennoch dürfe man sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen, sondern müsse die Organisation noch effektiver gestalten und neue Themen setzen. Nachhaltig wie sonst nirgendwo soll der Tourismus im Schwarzwald werden.

Naturschutz ist oft kein Argument, sagt der Experte

Der als Referent geladene Leiter des Instituts für Tourismus und Bäderforschung aus Kiel, Professor Martin Lohmann, dämpfte die Erwartungen: „Die Mehrheit der Touristen mache eine Urlaubsreise nicht, um die Natur zu schützen oder um ihre Fürsorge für Arbeitskräfte im Tourismus wirksam werden zu lassen“, erläuterte Lohmann den rund 250 Bürgermeistern, Landräten, Verbandsvertretern und Touristikern. Sein Institut erstellt mit dem Bundesumweltministerium eine groß angelegte Studie. Schon jetzt sei klar, dass mehr als 40 Prozent der Befragten überhaupt keine Vorstellung davon hätten, was nachhaltig ist. Begriffe wie „naturnah“ oder „umweltfreundlich“ seien zwar Wunschvorstellungen bei der Wahl des Ferienziels, doch sie fallen anderen Überlegungen zum Opfer: Die Frau und/oder die Familie will dorthin nicht mit, hinzu kämen Bequemlichkeit und Herdenverhalten. Und: „Die Zahlungsbereitschaft steigt auch nicht, wenn ‚nachhaltig’ auf dem Urlaubsziel steht“, dämpft Lohmann die Erwartungen.

Aber man könne neue Kunden gewinnen, ermuntert Stefan Gössling, Professor am Institut für Service Management der Universität Lund in Schweden, die Tourismusexperten. Die Qualität müsse stimmen, Nachhaltigkeit werde als Sahnehäubchen gern mitgenommen, sagt Gössling.

Eine Chance: Junge Kunden sind empfänglich für Qualität

Gössling weist auf den „tief gehenden psychosozialen Umbruch“ in den Industrieländern hin, zu dem auch ein verändertes Reiseverhalten der „Generation Easyjet“ der rastlosen Zwanzig- bis Dreißigjährigen zählt. „Sie definieren sich auch über viele Reisen mit kurzen Aufenthalten.“ Zur „liquiden Mobilität“, die sich auf mächtige Buchungsportale stützt, komme die Bewertungsmanie. Doch gerade die junge Generation sei empfänglich für Qualität, Authentizität und Umweltbewusstsein, prognostizierte Gössling.