Freeriden boomt im Alpenraum seit Jahren. Immer mehr Menschen wagen sich auf Skiern abseits der Pisten. Ein gefährlich schönes Vergnügen.

„Hopp, hopp“, sagt Markus Conrad, „hopp, hopp!“ Der Skilehrer treibt seine Gäste zur Eile an. Vom Engadin zieht der Föhn nach Davos. Immer mehr Wolkenfetzen trudeln in den blauen Himmel. Conrad steht an einer Wegscheide, die Wanderern im Sommer hier oben im hochalpinen Gelände als Orientierung dient. Im Winter beginnt an dieser Stelle das Niemandsland der Berge, in das sich die meisten Skitouristen nicht mehr hineintrauen. Jenseits dieser letzten Marke ist das Gelände frei und unbefahren. Gerade mal drei bis vier Spuren zeigen in die Richtung, in der Konrad und seine Gäste gleich im Weiß des Davoser Winters verschwinden werden. Freeriden ist angesagt - Skifahren ohne Pisten. Die Davoser Region gilt nicht gerade als Eldorado für den nicht ganz ungefährlichen Spaß.

 

Davos steht eher für gediegene Schweizer Lebensart, altes Geld, Eisstockschießen und romantische Kutschfahrten. Als Mekka der Freerider und Variantenfahrer in den Alpen haben sich Chamonix in Frankreich oder die Schweizer Orte Verbier und Zermatt etabliert. Hier treffen sich Skifreaks, aber auch Aussteiger und Weltenbummler, um frühmorgens in unberührte Hänge zu stechen und abends in Bars und Kneipen ein unbeschwertes Leben zu genießen. Davos ist da immer schon etwas zurückhaltender, ein bisschen schweizerischer eben. Skifahrerisch hat der 12 000-Einwohner-Ort aber dennoch eine Menge zu bieten. 32 offizielle Freeride-Abfahrten gibt es in der Wintersportregion. Mit Varianten ergeben sich so zwischen Davos, Klosters und Arosa über 70 Abfahrten, die meist am obersten Lift eines der Skigebiete beginnen und dann ins Nirgendwo abzweigen. Skivergnügen bis zur muskulären Übersäuerung ist garantiert - sofern das Wetter stimmt. Gerade hat es wieder aufgerissen, und die Sonne gibt den Blick frei auf das Sertigtal, eines der schönsten Täler in der Region. Konrad fährt los.

„Freeriden geht überall“

Die überbreiten Skier des 30-Jährigen gleiten auf dem Schnee dahin. Bei jeder Kurve stieben die Kristalle. 20-, 30-mal geht das so, dann ist eine gleichmäßig mäandernde Spur im Hang, und Konrad stützt sich fast unmerklich atmend auf seine Stöcke. Auf ein Zeichen des gebürtigen Davosers ziehen die Gäste nach. Jeder hat einen ganzen Hang vor sich, ohne störende Spuren, völlig rein und weiß. Nach etwa einer halben Stunde des Abwärtsgleitens wird der Schnee schwer. Erste Bäume und Felsen tauchen auf. Jetzt ist Vorsicht angesagt. Wurzeln versperren den Weg, alte Weidezäune. Dann ein Gehöft. Alles immer noch tief verschneit. Bis hinunter ins Sertigtal bahnt sich die Gruppe den Weg und dann weiter Richtung Davos. Eine alte Passstraße, auf der hie und da schon der Asphalt hervorblitzt, ist die einzige Möglichkeit zurückzukommen. „Freeriden geht überall“, sagt Konrad, „zur Not auch auf Straßen.“ Später dann werden sie sich vom letzen Lift des Rinerhorn-Gebiets nach ganz oben fahren lassen.

Dann die Skier schultern und sich eine halbe Stunde zu Fuß durch den knietiefen Schnee nach oben kämpfen. Dann - hinter einem steinigen Kamm - geht es abwärts. 40 Grad Hangneigung, also ziemlich steil, das sogenannte Bäbi hinunter. Der Schnee hier wird hart und verspurt sein. Harschig, wie die Fachleute sagen. Weiter unten wird sich das Weiß innerhalb weniger Minuten in einen körnigen Brei verwandeln. Der Föhn zeigt nun seine volle Kraft und hebt die Temperaturen auf deutlich über null Grad Celsius. Selbst Konrad, der eben noch scheinbar mühelos einen Schwung an den anderen setzte, muss nun kämpfen. Wieder tauchen Bäume, Wurzeln und Felsen auf, und wieder gibt es nur eines: durchhalten. Zumindest bis zur Hütte im Tal. Denn dort wartet ein kühles Panache und ein Schweizer Gröstl in der grade wieder durchblitzenden Sonne.

Ritt im Schnee

Freeriden boomt
Immer mehr Menschen bewegen sich abseits der Pisten mit Skiern im Schnee. Wichtig ist dabei eine umfassende Sicherheitsausrüstung, bestehend aus einem Lawinenpiepser, einer Schaufel aus Alu, einer Lawinensonde. Ebenfalls zu empfehlen sind Rucksäcke, die im Fall einer drohenden Verschüttung Airbags entfalten. Zudem sollte man sich nur bei sehr guter Ortskenntnis, viel Erfahrung und einem hohen Maß an Verständnis für Wetter, Schnee und Lawinensituation allein ins Gelände wagen. Alternative ist ein kundiger Skilehrer.

Pro Tag Skilehrermiete zahlt man als Einzelperson bei der Schweizer Schneesportschule Davos 400 Franken. Dann hat man allerdings die Möglichkeit, bis zu drei weitere Familienmitglieder mitzunehmen.

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