Schwenninger Wild Wings in der DEL Überraschungsteam mit kleiner Krise

Kapitän Thomas Larkin (li.) und die Wild Wings haben den Einzug in die Play-offs geschafft. Foto: imago/Eibner

Die Schwenninger Wild Wings sind mit ihrem offensiven Spielstil die Überraschungsmannschaft der DEL – kämpfen aber vor dem Landesduell in Mannheim mit einer kleinen Negativserie.

Sport: Marco Seliger (sem)

Der Erfolg im Sport ist ein zartes Pflänzchen, dessen Blüte schnell verwelken kann. Da mischen die Schwenninger Wild Wings also die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) auf, sichern sich als Überraschungsmannschaft der Saison frühzeitig den Einzug in die Pre-Play-offs und entfachen eine lange nicht mehr da gewesene Euphorie am Traditionsstandort am Neckarursprung. Die Fans, die noch eine der begehrten Karten für die Halle am Bauchenberg bekommen, toben auf ihrer lang gezogenen Stehtribüne hinter und neben dem Tor, die Spieler siegen und feiern – und dann das: Vier Niederlagen nacheinander mussten die Wild Wings zuletzt hinnehmen. Platz sechs und damit der direkte Einzug ins Play-off-Viertelfinale sind drei Spieltage vor dem Ende der Hauptrunde mit dann 52 Partien in Gefahr.

 

Das Duell an diesem Freitag bei den Adlern in Mannheim (19.30 Uhr) wird so zu einer Art Finale: Die Adler stehen punktgleich auf Platz sieben, der wie die Plätze acht bis zehn nur die Teilnahme an den Pre-Play-offs, also dem Achtelfinale, bedeutet. Selten war dieses Landesduell so brisant und wichtig wie jetzt.

Für die Wild Wings geht es darum, dass aus der aktuellen Delle keine Krise wird. Und wer weiß, vielleicht hilft den Verantwortlichen im Umgang mit der Situation ja der Blick auf die jüngere Geschichte des Clubs, der sie gelassen werden lassen könnte. Denn in den vergangenen Jahren gab es Krisen zuhauf bei den Wild Wings – da wird die Negativserie aktuell zum Klacks. So gab es zum Ende der vergangenen Runde nach dem Verpassen der Play-offs Pfiffe und Buhrufe des begeisterungsfähigen Anhangs, der wie an anderen emotional geprägten Traditionsstandorten empfindlich darauf reagiert, wenn aus den Möglichkeiten nicht das Maximale herausgeholt wird.

In dieser Saison nun ist die Bande zwischen Fans und Mannschaft wieder eng geworden. Die Wild Wings sind im besten Sinne Thema in der Stadt. Und nicht selten geht es darum, ob man noch irgendwo eine Karte für die 5100 Zuschauer fassende Helios-Arena bekommen kann, wo die Atmosphäre mit am besten und flirrendsten ist in der DEL.

Dass in dieser Runde wieder gejubelt wird in Schwenningen, hat zutiefst mit dem Mann zu tun, der einem als eine der ersten Amtshandlungen zur Begrüßung sofort das Du anbietet. Geschäftsführer Stefan Wagner hat sein spartanisch eingerichtetes Büro in den verwinkelten Katakomben der Schwenninger Arena. Die Möbel sind ihm nicht so wichtig, Hauptsache, er hat einen Tisch samt Stuhl zum Arbeiten – nahe an der Mannschaft und dem Trainer, dessen Büro direkt nebenan ist. Wenn ein Mann die berühmte Hemdsärmeligkeit verkörpert, dann ist es Wagner, ein Typ kerniger Bayer. Der Münchner redet kurz über seinen Lieblingsclub FC Bayern, erkundigt sich nach dem Höhenflug des VfB Stuttgart – und kommt dann bei stillem Wasser („ich find’ hier grad nix anderes“) auf den Punkt.

Seit seinem Dienstbeginn Ende 2022 brachte Wagner die Wild Wings auf Kurs. Acht Trainer in neun Jahren gab es zuletzt in Schwenningen. Die Verantwortlichen versuchten es mit namhaften Akteuren der Eishockeyszene. Doch Pat Cortina, Niklas Sundblad oder Harold Kreis scheiterten entweder oder wollten nicht lange bleiben.

Wagner, der von 2009 bis 2013 in Schwenningen als Sportdirektor tätig gewesen und dann bei mehreren anderen Clubs aktiv war, beschritt nun an vertrauter Wirkungsstätte einen neuen Weg. Er wagte mit dem aktuellen Coach Steve Walker ein Experiment. „Wir haben in Schwenningen die einzige Halle in der DEL, die eine kleinere Eisfläche hat – in der Heimtabelle waren wir aber nie weit oben“, sagt er. Der Geschäftsführer konzentrierte sich auf diesen möglichen Vorteil. „Ich wollte einen anderen Spielstil haben, dass wir den Gegner also unter Druck setzen, aggressiv sind, dass wir einen Nutzen aus dem kleineren Feld ziehen.“ Dieser neue Stil sollte auch zum Publikum passen, das sich nach ehrlichem und offensivem Eishockey sehnt. Vollgas auf dem Eis, Vollgas auf den Rängen, krachend und laut: Solche Gedanken waren Wagners erster Schritt. Der zweite war, vor dieser Saison einen Trainer für diesen Weg zu suchen.

Wagner fand ihn in Steve Walker. Das Trikot des Kanadiers hängt bei den Eisbären in Berlin mit Legendenstatus unter dem Hallendach. Als Assistenzcoach wurde Walker mit Red Bull München deutscher Meister, Schwenningen ist nun seine erste Cheftrainerstation in Deutschland. Wagner ging mit dem Coach Walker also ein Wagnis ein – es glückte, was allein der Blick auf die Heimbilanz zeigt: Von 25 Partien gewannen die Wild Wings 19 – Platz eins in der Heimtabelle. Der Plan mit dem neuen Spielstil ging auf, was auch mit einer Neuausrichtung des Teams zu tun hat.

Die Kabine als Stärke

Denn wo zuletzt der Biss gefehlt hat, dominieren nun Wille und eine ausgeprägte Mentalität. „Wir wollten charakterstarke Spieler verpflichten, die wissen, wie man gewinnt“, sagt Wagner dazu trocken. Einer davon ist Kapitän Thomas Larkin, der im Sommer aus Mannheim kam. Er sagt: „Unsere größte Stärke ist die Kabine mit vielen tollen Persönlichkeiten.“ Trainer Walker ergänzt, dass das Team über allem stehe: „Jeder muss für den anderen einstehen, meine Jungs lernen schnell.“

So schnell, dass aktuell Platz sechs steht in dieser Runde. Es ist ein Erfolg für den Club, dessen Etat im unteren Mittelfeld der Liga angesiedelt ist und dessen Saisonziel nach turbulenten Jahren der Klassenverbleib war. Jetzt wollen die Wild Wings mehr – auch in den nächsten Jahren. Nichts mit dem Abstieg zu tun haben, klar, und immer um die Play-offs mitspielen: Das sind die Ziele, die Geschäftsführer Wagner (Vertrag bis 2027) und Trainer Walker (bis 2026) erreichen wollen.

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