Die CDU-Stadträte in Stuttgart wollen es möglich machen, im Neckar zu schwimmen zu können. Doch da gibt es ein juristisches Problem.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Baden im Neckar – das Thema geistert fast jedes Jahr durch die Zeitungen, denn es scheint einen hohen emotionalen und symbolischen Wert zu besitzen: In den Fluss steigen zu können, das klingt nach guter alter Zeit und heiler Welt. Doch dieses Mal ist alles etwas anders. Denn andere Städte machen nun vor, dass das Baden möglich ist. Und die Sache treibt die CDU-Gemeinderatsfraktion sogar im Spätwinter um. Sie hat die Stadtverwaltung aufgefordert, die Wasserqualität zu prüfen und nach Badestellen zu fahnden.

 

„Viele Bürger wünschen sich an heißen Sommertagen ein kurzes Erfrischungsbad im Neckar“, sagt CDU-Fraktionschef Alexander Kotz. Er könnte sich vorstellen, beispielsweise am Neckarauenpark in Bad Cannstatt einen Zugang zu schaffen oder an einem Ufer einen abgetrennten Badebereich einzurichten. Die Stadt soll aber zunächst einen Bericht vorlegen.

Anderswo geht es längst, zum Beispiel im Rhein in Basel. Dort ist das Schwimmen offiziell frei gegeben, und die Kantonspolizei hat sogar ein Video auf Youtube gestellt, um zu erläutern, wo man am besten ins Wasser springt und was man beachten muss – die Strömung ist nämlich beachtlich und die Frachtschiffe sind zahlreich. Unterhalb der Schwarzwaldbrücke springen die Menschen von Kleinbasler Seite ins Wasser, lassen sich wegtreiben und steigen dann kurz vor der Dreirosenbrücke wieder aus der Flut. „An heißen Tagen ist das ein Volkssport in Basel“, sagt Klaus Mannhart vom Justiz- und Sicherheitsdepartement: „Da sind Hunderte im Wasser.“

Die Schweiz muss sich allerdings nicht an die EU-Baderichtlinie halten – auf deutscher Seite werden die Behörden dagegen die letzte Badestelle am Rhein bei Lörrach, also noch vor Basel, demnächst schließen, weil die Wasserqualität den geforderten Werten nicht entspricht. Dennoch: auch auf den Neckarwiesen in Heidelberg, so hört man von vielen Seiten, sehe man immer wieder Menschen in den Fluss springen. Das Baden ist aber wegen der hohen Keimbelastung offiziell nicht frei gegeben. Achim Fischer, der Sprecher der Stadt, bestätigt auch nicht, dass die Heidelberger im Neckar baden: „Das können nur ganz wenige Menschen sein.“ Ganz in der Nähe von Stuttgart schließlich, in Remseck, will die Stadt demnächst einen Neckarstrand bauen. Zu weit aus dem Fenster lehnen will sich Remseck zwar noch nicht, man denke aber durchaus über Bademöglichkeiten nach, sagt Sprecherin Christiane Conzen.

„Der Neckar ist und bleibt als Badegewässer ungeeignet“

Am gesamten Neckar gilt allerdings: das Baden ist verboten. Zwar wird der Neckar im Gegensatz zu den Badeseen nicht regelmäßig überwacht, doch hat es erst 2010 eine Diplomarbeit einer Studentin der Universität Hohenheim gegeben, an der das Landesgesundheitsamt beteiligt war. Am Max-Eyth-See (ebenfalls nicht zum Baden geeignet), an der Hofener Straße und an den Mineralbädern waren von Mai bis September Proben entnommen worden.

Das niederschmetternde Ergebnis dieser Prüfung: es wurden in acht von 18 Proben Salmonellen nachgewiesen sowie in fast allen Proben Viren, die Darmerkrankungen verursachen, sowie die Darmparasiten Giardien und Cryptosporidien. Wie der Rhein-Neckar-Kreis vor einiger Zeit warnte, könnten zudem auch Ratten aus der Kanalisation und an den Ufern Krankheiten übertragen.

Laut Erich Zeller vom Gesundheitsamt in Stuttgart wird der Neckar in Stuttgart damit, was die mikrobiologische Sauberkeit anbetrifft, in die schlechteste aller Qualitätsstufen eingeordnet, nämlich in „mangelhaft“. Im Übrigen bestätige die genannte Untersuchung die Ergebnisse früherer Proben. Clemens Homoth-Kuhs, der Sprecher des Regierungspräsidiums Stuttgart, zieht so das Fazit: „Der Neckar ist und bleibt als Badegewässer ungeeignet.“ Jens Fleischer, Biologe am Landesgesundheitsamt, betont zudem: „Es müssten riesige Summen investiert werden, um Badequalität im Neckar zu erreichen.“ Das sei nicht sinnvoll, weil es überall genügend Freibäder und Badeseen gebe, wo die Menschen ihrem Badedrang nachgehen könnten, so Fleischer.

Verunreinigungen stammen von den Kläranlagen

Die Verunreinigungen stammen vornehmlich aus den rund 590 Kläranlagen, die es entlang des Neckars gibt. Trotz aller technischen Fortschritte können in diesen Anlagen nicht alle Keime aus dem Abwasser abgebaut werden. Erich Zeller betont: „Bakterien wie Escherichia coli und Intestinale Enterokokken gelten als Fäkalindikatoren – bei ihrer Anwesenheit in einer Wasserprobe muss damit gerechnet werden, dass auch ‚echte‘ Brechdurchfallerreger im Wasser vorhanden sein und beim Verschlucken entsprechende Erkrankungen auslösen können.“ Besonders problematisch ist die Situation nach lang anhaltenden Regenfällen, weil die Kläranlagen dafür nicht ausgelegt sind und so teils auch ungeklärtes Abwasser in den Fluss gelangt.

Das alles klingt ziemlich abschreckend, und doch vollzieht sich bei vielen ein Bewusstseinswandel. Alexander Kotz jedenfalls kann sich nicht erinnern, dass irgendein Teilnehmer des Fischerstechens nach einem Bad im Neckar krank geworden wäre. „Es geht uns nicht um stundenlanges Schwimmen, sondern um ein kurzes Abkühlen im Wasser“, sagt der CDU-Fraktionschef.

Dennoch, von einem Versprechen muss sich die CDU bereits verabschieden. Oberbürgermeister Wolfgang Schuster hatte bei seinem Amtsantritt 1997 angekündigt, den Neckar so sauber zu machen, dass er ihn noch während seiner Amtszeit zum Baden frei geben könne; erst 2010 hat er das Versprechen nochmals erneuert. Doch bis zum Abschied Schusters im Herbst wird kein Wunder mehr geschehen. Der OB könnte höchstens als Zeichen guten Willens ein paar Runden im Fluss drehen. Mal sehen, ob er dem Neckar noch die Ehre erweist.