Wegen Corona und Energiekrise waren Bäder lange Zeit geschlossen. Schwimmunterricht fiel deshalb aus. Foto: dpa/Julian Stratenschulte
Coronapandemie und Energiekrise sind vorbei, die Nachwirkungen der Bäderschließungen noch lange nicht. Eleonore Wagner, Geschäftsführerin des Landesverbands Württemberg der DLRG, spricht über herausfordernde Zeiten.
Luitgard Schaber
03.12.2023 - 14:03 Uhr
Die Ausbilder der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) würden alles tun, um die Zahl der Schwimmkurse hochzufahren, sagt Eleonore Wagner, die Geschäftsführerin des Landesverbands Württemberg. Doch es hapere unter anderem an geöffneten Bädern.
Frau Wagner, wie steht es um die Schwimmausbildung nach Corona und Energiesparmaßnahmen?
Das Problem ist nicht spezifisch im Rems-Murr-Kreis vorhanden, es besteht bundesweit. Schon vor Corona gab es mehr Bedarf an Schwimmkursen, als abgedeckt werden konnte, vor allem im Anfängerbereich. Zum einen mangelt es an ausreichend Ausbildern. Unsere Ehrenamtlichen können vielerorts nur abends Kurse geben. Zum anderen fehlt es aber auch an Wasserflächen und -zeiten. Corona hat das weiter verschärft, da unsere Kurse während der Pandemie gar nicht oder nur eingeschränkt stattfinden konnten. Zu Zeiten der Energiekrise war die Situation dann örtlich sehr unterschiedlich. Es gab Bäder, die zeitweise geschlossen wurden. In anderen war die Beckentemperatur heruntergesetzt, was die Durchführung der Kurse ebenfalls schwierig gemacht hat. Weil die Kinder schnell gefroren und blaue Lippen bekommen haben, mussten vermehrt Pausen gemacht werden.
Haben neben der Schwimmausbildung weitere Bereiche Ihrer Arbeit gelitten?
Ja. Aufgrund geschlossener Bäder während den Krisen war es auch unseren ehrenamtlichen Aktiven nicht möglich, sich aus- und fortzubilden.
Erleben Sie jetzt eine veränderte Nachfrage nach Anfängerkursen?
Seit 2022, seit der Aufhebung der Pandemieauflagen, tun unsere Ausbilder alles, um die Zahl der Kurse hochzufahren. So konnte im Rems-Murr-Kreis 2022 die Teilnehmerzahl bei Anfängerschwimmkursen im Vergleich zu vor Corona verdoppelt werden. Im Landesverband Württemberg hat die Zahl der abgelegten Seepferdchen-Abzeichen vergangenes Jahr zugenommen auf 6072. Allerdings sieht man in der Statistik deutlich, wie die Anzahl der Seepferdchen von 5380 im Jahr 2019 auf 1257 dann 2020 rapide runtergegangen ist. Doch ist das Seepferdchen noch kein Nachweis des sicheren Schwimmens. Erst mit dem Erhalt des Deutschen Schwimmabzeichens in Bronze gilt man als sicherer Schwimmer. Auch hier konnten mit 3512 abgenommen Abzeichen die Werte von Vor-Corona wieder erreicht werden, nachdem 2020 die Anzahl auf 721 gesunken war.
Zeigt sich der Nachholbedarf auch im Alter der Schwimmanfänger?
Das ist eine logische Folge, dass das Alter der Kinder nach oben gegangen ist. Nach einer Forsa-Umfrage voriges Jahr sind fast 60 Prozent der Kinder am Ende ihrer Grundschulzeit keine sicheren Schwimmer. Zudem hat sich der Anteil der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren, die nicht schwimmen können, gegenüber 2017, als die DLRG die Umfrage zuletzt in Auftrag gegeben hatte, auf 20 Prozent verdoppelt.
Gibt es Wartelisten für Kurse? Wie lang sind diese beziehungsweise mit welchen Wartezeiten müssen Eltern für ihre Kinder rechnen?
Ja, Wartelisten für Schwimmkurse gab es auch schon vor Corona. Aber da waren Wartezeiten von zwei Jahren weniger der Fall. Jetzt hört man das aber vermehrt aus den Ortsgruppen.
Wie sind die Bedingungen in den Bädern für die Schwimmausbildung?
Wir haben das Problem, dass Bäder schließen müssen, da sich die Kommunen die Sanierungskosten nicht leisten können. Seit der Jahrtausendwende stehen hunderte von Bädern weniger für die Schwimmausbildung zur Verfügung. Es werden zwar auch neue Bäder gebaut, jedoch nicht in der benötigten Anzahl und vor allem nicht für den Schwimmunterricht geeignete Bäder. Denn je nach Kurs werden unterschiedliche Wassertiefen, eine Beckenlänge von 25 Metern und ein Sprungturm benötigt. In einem Wellenbecken um Beispiel kann kein Schwimmkurs stattfinden.
Vor welchen Herausforderungen sehen Sie die Schwimmausbildung in den kommenden Jahren?
Wir würden uns wünschen, dass Bund, Länder und Kommunen sich zusammensetzen, um gemeinsam Lösungen zu finden. Bislang ist es so, dass Bäder nicht zur Daseinsvorsorge gehören, sondern freiwillige Leistungen der Kommunen sind. Wir wünschen uns, dass sie eine Pflichtaufgabe werden, damit die Versorgung damit sichergestellt werden kann. Aber das ist politisch kein ganz einfaches Thema.
Kommunikation als eine der Aufgaben
Chefin Eleonore Wagner ist seit Anfang 2017 die Geschäftsführerin des DLRG Landesverbands Württemberg. Neben Gremien- und Projektarbeit gehören Verbandskommunikation und -entwicklung, Projektmanagement sowie Außenvertretung zu ihren Aufgaben.
Erfahrung Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Marketing leitete sie zehn Jahre lang den Landesverband Baden-Württemberg eines Ärzteverbandes.