Wer präsentiert seine Forschung am besten? Das wird beim Science-Slam ermittelt. Es ist bereits der dritte dieser Art in Stuttgart.
 

Stuttgart - Nach zehn Minuten bimmelt eine Kuhglocke. Die Zeit ist um. Denn die Regeln eines Science-Slams sind streng. Maximal zehn Minuten haben die Vortragenden, um ihr wissenschaftliches Thema dem Publikum zu erklären. Danach stimmen die Zuschauer über den besten und unterhaltsamsten Vortrag ab.

 

In der Wahl des Themas sind dem Wissenschaftler keine Grenzen gesetzt. Und auch die Art seines Vortrages – mehr humoristisch oder klar wissenschaftlich – kann er selbst wählen. Beim dritten Stuttgarter Science-Slam im Akademischen Verein Hütte wurde von allem etwas geboten. Die sieben Teilnehmer präsentieren ein weites Spektrum wissenschaftlicher Themen: von der Medizin über die Kryptologie bis hin zur Informatik. „In Stuttgart müssen die Teilnehmer ein eigenes Forschungsprojekt vorstellen“, sagt der Organisator Michael Klenk. Deswegen müsse jeder der Kandidaten eine schriftliche Kurzfassung einreichen, damit die Qualität des Vortrags bewertet werden könne.

Für den Neurobiologen Beck ist es die dritte Teilnahme

Der Sieg des Abends mit einem Preisgeld von 150 Euro geht an den Neurobiologen Henning Beck, der an den Universitäten Tübingen und Ulm arbeitet. „Speed up your mind – Wie das Gehirn Geistesblitze beschleunigt“, heißt der Titel, der ihm die Sympathien des Publikums einbringt. Wie erreichen Nervenimpulse solch aberwitzige Geschwindigkeiten von über 400 Kilometern in der Stunde? Und wie schafft es das Gehirn, dass alle Nervenfasern schön geordnet und isoliert nebeneinander liegen und keinen Kurzschluss produzieren?

Das beantwortet Beck alles in seinen zehn Minuten. Als Beispiel nennt er die Emotionen Freude, Ekel und Angst, die man seiner Ansicht nach alle bei den Wildecker Herzbuben empfinden könne: auch bei ihnen handelt es sich letztlich um Impulse, die von Nervenzelle zu Nervenzelle weitergeleitet werden. Dazu werden Oligodendroglia benötigt, eine bestimmte Form von Gehirnzellen, die die Nervenstränge ummanteln und dadurch isolieren. Diese Zellen sorgen auch dafür, dass die Impulse so schnell fließen, dass man Freude, Ekel und Angst sofort verspürt und nicht erst nach einigen Sekunden.

Für den Neurobiologen Beck ist es die dritte Teilnahme an einem Science-Slam und gleichzeitig sein dritter Erfolg. Auch bei Science-Slams in Ulm und Karlsruhe hat er sich den ersten Platz sichern können. „Es macht solchen Spaß“, sagt Beck. Ein kompliziertes Thema einfach zu verpacken – das sei die Herausforderung. Wissenschaftler, die diesem Format kritisch gegenüberstehen, weil die Forschungsergebnisse für den Vortrag sehr vereinfacht werden müssen, kann Beck nicht nachvollziehen. „Wir machen Forschung für die Menschen“, sagt er. Dann könne man es ihnen auch erklären – zumal er nur einen Denkanstoß geben, Interesse am Thema wecken will. „An den Fragen nach dem Vortrag merkt man, dass die Zuschauer begriffen haben, was ich erklären wollte.“


Am Ende jedes Vortrags muss sich der Redner drei Fragen aus dem Publikum stellen. Der Zweitplatzierte des Abends, der Kryptologe Klaus Schmeh, erklärt nach Gelächter im Publikum, dass er Dieter Bohlens Buch „Nichts als die Wahrheit“ ebenfalls auf Verschlüsselungen untersucht habe – genauso wie das Voynich-Manuskript, das eigentliche Thema seiner Forschung. Das Voynich-Manuskript stammt aus dem Mittelalter und bereitet Kryptologen schon seit Langem Kopfzerbrechen, weil es in einer unbekannten Sprache geschrieben zu sein scheint. Für Schmeh ist es inhaltsmäßig von Dieter Bohlen nicht weit entfernt: Es ist inhaltsleer.

Nebenbei vermittelt Schmeh einige praktische Tipps: Wie stelle ich ein Plagiat des Manuskripts her, so dass es wirklich alt aussieht? Der Kryptologe empfiehlt das Einlegen der zuvor aus dem Internet ausgedruckten Seiten in kalten Kaffee. Für diese Gestaltung verlieh der studierte Informatiker, der bei einer Sicherheitsfirma arbeitet, sich selbst den „Goldenen Guttenberg für das beste Plagiat“.

Das Publikum bedenkt alle Redner mit viel Applaus

Um Verschlüsselung geht es auch in der Präsentation von Christiane Licht: sie nutzt Noten, um Textbotschaften zu übermitteln, und spielt dem Publikum die Stücke gleich auf der Klarinette vor. Um den Buchstaben Noten zuzuordnen, hat die Medizinstudentin zuvor Statistik betrieben und 40<TH>000 Noten aus Stücken von Mozart, Bach, Beethoven und Vivaldi gezählt. Die häufig gespielten Noten verknüpfte sie mit den häufig vorkommenden Buchstaben und erhielt so ihren Code.

Nicht alle Referenten bieten dem Publikum Comedy-Einlagen, manche Redner halten wissenschaftlich anmutende Kurzvorträge – wenngleich zu skurrilen Themen. Javier Gonzalez erklärt beispielsweise, wie der Vogel Rayadito aus dem südamerikanischen Urwald eine Eiszeit in seiner Heimat überleben konnte. Seine Theorie will Gonzalez nun mit Genanalysen belegen. Es ist eine mutige Theorie, denn sie widerspricht dem großen Biologen Charles Darwin. Gonzalez scheint das nicht zu schrecken: Es sei doch üblich, das Wissenschaftler einander sagten: „Deine Theorie ist nicht ganz richtig.“

Ob selbst wissenschaftlich arbeitend oder nicht, das Publikum bedenkt alle Redner mit viel Applaus. Es ist schon der dritte Science-Slam in Stuttgart. Michael Klenk freut sich über den immer größeren Zuspruch. „Wir haben vor einem Jahr in einem kleineren Raum mit 60 Zuschauern begonnen“, sagt er nach dem Wettbewerb. „Heute waren es 160.“ Bei der Suche nach Referenten hilft die Studienstiftung Stuttgart, die studentische Aktivitäten finanziell unterstützt. Zum nächsten Science-Slam würde Klenk gerne den Preis attraktiver gestalten: etwa dem Sieger ein Praktikum anbieten. Denn „Teilnehmer zu finden ist schwierig“, sagt er. Einige der Kandidaten haben schon Erfahrung aus anderen Science-Slams. Wie zum Beispiel der Neurologe Henning Beck, der sich für seine Vorträge im Laboralltag inspirieren lässt. Weil es ihm so viel Spaß mache, sei das sicher nicht sein letzter Science-Slam gewesen.


Idee: Ein Science-Slam ist eine Veranstaltung mit wissenschaftlichen Kurzvorträgen von maximal zehn Minuten. Das Ziel der Veranstaltung ist nicht nur, die eigene Forschung zu präsentieren, sondern auch das Publikum zu begeistern, um die abschließende Abstimmung zu gewinnen. Wie der Vortrag gehalten wird – rein wissenschaftlich oder im Comedy-Format – ist egal. Nur verständlich muss er sein. Mittlerweile gibt es in vielen deutschen Städten diese Wettbewerbe.

Stuttgart: Seit Beginn des Science-Slams in Stuttgart ist der Akademische Verein Hütte Stuttgart der Veranstalter. Die 1871 gegründete Verbindung stellt ihr „Wohnzimmer“ zur Verfügung. Die Studentenverbindung ist weder schlagend noch farbentragend und vertritt keine politischen Ansichten. Auch Frauen können Mitglied werden.