Sebastian Deisler wird am Sonntag 40 Jahre alt. Was das ehemalige Supertalent mittlerweile macht, wissen nicht viele. Deisler hat sich zurückgezogen vom Profifußball, der einmal große Hoffnungen auf ihn projiziert hatte.
Lörrach - Wer sich auf die Suche nach Sebastian Deisler macht, wird nur sehr mühsam vorankommen. Seit seinem Karriereende im Januar 2007 im Alter von 27 Jahren ist es still geworden um den Ex-Nationalspieler. Auch langjährige Weggefährten wie sein früherer Trainer Ottmar Hitzfeld wissen nicht, wie es Deisler kurz vor dessen 40. Geburtstag am Sonntag geht. „Ich habe mich immer wieder umgehört hier in Lörrach, habe ihm auch mal geschrieben“, sagt Hitzfeld über Deisler. „Aber da kam gar keine Antwort.“
Der 70-Jährige kannte den als Ausnahmetalent geltenden Deisler schon recht früh, beide stammen aus der Kleinstadt Lörrach im Südwesten Baden-Württembergs. Der frühere Erfolgstrainer hatte mehrfach versucht, Kontakt mit seinem ehemaligen Spieler aufzunehmen. Aber niemand wusste etwas. Zumindest wollte ihm niemand etwas Konkretes erzählen. „Ich habe es nicht geschafft, Kontakt herzustellen. Er wollte mit dem Fußball einfach nichts mehr zu tun haben.“
Letztes Interview im Oktober 2009
Sein letztes Interview gab Deisler der „Zeit“ im Oktober 2009, kurz bevor seine Biografie „Zurück ins Leben“ erschien. Liest man sich dieses Interview durch, entsteht der Eindruck eines begnadeten Fußballers, der das Spiel liebte, aber mit den Nebenwirkungen nicht zurechtkam. Deisler war Deutschlands einziges Supertalent in einer Zeit, in der es sonst keine fußballerischen Hoffnungsträger gab.
Der deutsche Fußball lag nach dem Viertelfinal-Aus bei der WM 1998 in Frankreich und dem K.o. in der Gruppenphase der EM 2000 am Boden, Deisler sollte ihn wieder aufrichten. „Ich war 19, 20, als die Deutschen meinten, ich könnte ihren Fußball retten. Ich allein“, erzählte Deisler der „Zeit“. Aber er konnte nicht.
Nachdem er 1999 zu Hertha BSC gewechselt war, bricht ein Hype um ihn aus. Der damalige Hertha-Ausrüster macht ihn zum Kopf einer Werbekampagne, die Fans kaufen seine Trikots und wollen alles von ihm wissen - und Deisler? Der spielt das Spiel zunächst mit, kauft teure Autos oder Uhren und lacht über die Witze seiner Mannschaftskollegen, auch wenn er sie nicht lustig findet.
Er habe einfach nur noch weggewollt
Als im Herbst 2001 dann bekannt wird, dass er am Saisonende für ein Handgeld von 20 Millionen Mark zu den Bayern wechselt, bricht die oberflächlich heile Welt zusammen, die Verehrung der Fans verwandelt sich in Hass. „Das ist es, was mir den Fußball versaut hat. Das war mein Genickschuss“, erzählte er. Davor und auch danach wird er immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen, sieben Operationen unterzieht er sich allein während seiner Karriere. 2003 wird bekannt, dass er unter Depressionen leidet. Etwas mehr als drei Jahre später will Deisler nicht mehr und berichtet dem ehemaligen Bayern-Manager Uli Hoeneß von seinem Entschluss.
„Er ist einer der besten Spieler, die es in Deutschland je gegeben hat. Deswegen ist das so unverständlich. Aber diesen Kampf haben wir verloren“, erzählte Hoeneß damals. Auch er hatte Deisler nicht umstimmen können. Anschließend zieht Deisler sich zurück, verabschiedet sich nicht mal mehr von seinen ehemaligen Mannschaftskollegen. Auch auf ihre Nachrichten antwortet er nicht. Er habe einfach nur noch weggewollt, sagte er damals der „Zeit“. „Ich konnte nicht mehr.“