Sebastian Piñera ist tödlich verunglückt. Sogar die Linke zollt dem Ex-Präsidenten Chiles Respekt, der eine große Lücke hinterlässt.

„Springt ihr zuerst, weil wenn ich zuerst springe, fällt der Hubschrauber auf euch“, soll Sebastian Piñera seiner Schwester zufolge gesagt haben. Die anderen Passagiere des Fluges retteten sich mit einem Sprung ins Wasser, Pilot Piñera aber schaffte es nicht mehr, rechtzeitig von Bord seines eigenen Helikopters zu gehen.

 

Mit der letzten Entscheidung seines Lebens rettete er anderen Menschen das Überleben. Seine sterblichen Überreste wurden wenig später aus dem Lago Rancon geborgen. Sebastian Piñera ist tot. Er starb im Alter von 74 Jahren. Der konservative Politiker regierte Chile zweimal von 2010 bis 2014 und von 2018 bis 2022.

„Er war der Demokratie verpflichtet“

Piñera unterschied sich von den heutigen Rechtspopulisten nicht nur durch sein Auftreten. Stets adrett gekleidet ohne Wuschelfrisur wie etwa der neue Präsident Argentiniens, Javier Milei, dafür mit klarem Kompass. Piñera setzte auf die Kraft der Demokratie und des Dialogs. Die Linken Michelle Bachelet und Gabriel Boric, vor beziehungsweise nach Piñera im Amt, lobten Piñera als einen, auf dessen Wort man sich verlassen konnte. „Er war der Demokratie verpflichtet“, sagte Bachelet. Er stritt für seine Überzeugungen und lieferte sich leidenschaftliche inhaltliche Auseinandersetzungen mit der chilenischen Linken. Er bot den linksautokratischen Regimen in Kuba, Venezuela und Nicaragua die Stirn, gratulierte aber auch seinen innenpolitischen Gegnern stilvoll zum Sieg. Etwas, was man von Rechtspopulisten nicht kennt, die stets von Betrug sprechen, wenn sie eine Wahl verlieren.

Mit Piñera geht so etwas wie die lateinamerikanische Antwort auf den US-Republikaner John McCain, dem das vulgäre Auftreten des Rechtspopulistischen Donald Trump zuwider war. Piñera war ein Konservativer klassischer Art, der für seine Werte einstand.

Sein Stern in Chile begann zu sinken, als es während der Sozialproteste in seiner zweiten Amtszeit zu massiver Gewalt kam. Von einem kleinen Teil der Demonstranten und von der Polizei, die geradezu Jagd auf die Protestierenden machte.

Knallharter Geschäftsmann

Große Teile der chilenischen Bevölkerung wiederum machte Piñera dafür verantwortlich. Zwischen dem Präsidenten und den Bürgern kam es zum Bruch. Für die Studentenbewegung war er während der Sozialproteste ein Feindbild, weil der milliardenschwere Unternehmer als Sinnbild für den Kapitalismus stand. Es war der Moment, in dem ihn sein politischer Instinkt verließ. Der Rest der zweiten Präsidentschaft war eine Qual. Es folgte ein Stimmungsumschwung im Land, der letztendlich zur Wahl des ehemaligen Studentenführers Boric führte. Der muss sich seitdem selbst mit schlechten Umfragewerten herumschlagen und erkannte im Amt, wie groß und schwer die Bürde ist, die ein Präsident in Chile zu tragen hat.

Den Bildern des knallharten Geschäftsmanns und Konservativen stehen Erinnerungen gegenüber, wie er sich als Großvater mit seinen Enkeln wilde Kissenschlachten lieferte. Piñera war beides: Mensch und Hardliner. Aus dem Ausland kamen umgehend Solidaritätsbotschaften. Auch von politischen Rivalen wie Boliviens Evo Morales. Das zeigt, welches Ansehen Piñera trotz unterschiedlicher Positionen genoss. Und welche Lücke er hinterlässt.

Seine erste Amtszeit begann damit, dass er eine Katastrophe managen musste. Wie so oft in Chile. Weltweit beachtet wurde die erfolgreiche Rettung von wochenlang und in großer Tiefe eingeschlossenen Bergleuten. Die Rettungskapsel Fenix brachte sie nach oben, genau wie Piñeras Zustimmungsraten. Auch mit den Folgen des Erdbebens konnte der Präsident einigermaßen gut umgehen, deshalb gaben ihm die Chilenen 2018 eine zweite Chance. Eine Präsidentschaft, der das Glück dann fehlte. Das konservative Lager wird ihn vermissen – als Gegenentwurf und als Charakter im demokratischen Spektrum Lateinamerikas.