Eva Kunzmann hat Mukoviszidose – und sie lebt mit einer fremden Lunge. Die 37-Jährige unterstützt den Lebenslauf. Und sie ist voller Hochachtung für diejenigen, die ihre Organe anderen spenden.
Gerlingen - Sie ist erst 37 Jahre jung. Ihr Leben gliedert sich aber schon jetzt in drei Abschnitte: 29 Jahre mit der Krankheit, die Operation, die Jahre danach. Kindheit, Jugend und die ersten zehn Jahre als Erwachsene waren für Eva Kunzmann bestimmt durch die Erbkrankheit Mukoviszidose. Seit gut sieben Jahren lebt sie in Esslingen ihr Leben nach einem neuen Muster: viel Bewegung, Engagement für die Patenkinder und die Eltern, Minijob, Einsatz für den Mukoviszidose-Verein und die Organspenden-Bewegung, ehrenamtliche Tätigkeit in Esslinger Museen, jede Woche Standard-Tanzen. „Mir wird’s nicht langweilig“, sagt Kunzmann lachend.
Ein Schnitt in ihrem Leben hat der jungen Frau neuen Lebensmut beschert. Die letzten Jahre zuvor hing sie „an der Hundeleine“, wie sie den Schlauch zum Sauerstofftank bezeichnet. Und so ist sie ganz offen für den Fotografen und den Reporter, die sie vor dem 16. Ditzinger Lebenslauf in den Mittelpunkt eines Berichts stellen wollen. Selbstbewusst, fröhlich und zurückhaltend zugleich, klare Worte findend und dabei nicht überschäumend – so erscheint sie den Besuchern an diesem sonnigen Mittag. Sie gehe regelmäßig in die Natur, erzählt sie, das Nordic Walking sei eine Konstante. Am Esslinger Jägerhaus kennt sie jeden Baum. Sie hat auch jeden Baum gekannt im Wald bei der Gerlinger Schillerhöhe. In der Klinik für Lungenpatienten hat sie im Sommer 2006 ein Vierteljahr verbracht. Bis am Abend eines Freitags eine Pflegerin zu ihr kam. Dann kam der Schnitt in ihrem Leben.
Erst der zweite Muko-Test bringt Klarheit
Doch der Reihe nach. Als Eva Kunzmann noch ein Mädchen war, Ende der siebziger Jahre, hustete sie immer viel. Verdauungsschwierigkeiten kamen dazu. Sie habe halt Bronchitis, sagten die Ärzte ihren Eltern. Die tückische Erbkrankheit mit dem schier unaussprechlichen Namen Mukoviszidose war schon da, aber noch weit weg – und das gleichzeitig. Irgendwann gingen die Eltern mit Eva ins Stuttgarter Kinderkrankenhaus Olgäle. Der erste Muko-Test war negativ. Doch die Beschwerden blieben. Nach dem zweiten Test war die Diagnose aber klar: Mukoviszidose.
Bedeutete das den Abschied vom normalen Leben? Mitnichten. „Ich bin eigentlich ganz normal aufgewachsen“, berichtet Eva Kunzmann. Normal, das heißt: zwei jüngere Brüder, Grundschule, Realschule, Mittlere Reife. Die Vorsichtsmaßnahmen wegen der Krankheit hielten sich in Grenzen, „ich durfte im Dreck spielen, mit ins Zeltlager der katholischen Jugend“. Andere Kinder aber mussten nicht mehrmals am Tag zuhause inhalieren, und sie mussten auch nicht, so wie ihre Freundin Eva, regelmäßig zur Atemtherapie. Beim Schulsport machte sie mit, wurde erst mit 14 befreit. Mit den Freundinnen gab es nie ein Problem. Vielleicht auch, weil sie sich die Devise „wegstecken und austeilen“ zu eigen gemacht hatte, „nicht nur im Freundeskreis, auch bei Ärzten“. Sie berichtet von haarsträubenden Beispielen.
Nach der Ausbildung zur Technischen Zeichnerin arbeitet sie einige Jahre, zuerst 100, dann 75 Prozent. Die Therapie wird umfangreicher. Und immer die beiden Fragen: „wie kriege ich Luft, was mache ich mit der Luft?“ Mit 24 Jahren geht nichts mehr – Frührente. „Komisch.“ Die Aufenthalte im Esslinger Krankenhaus und in der Klinik in Hannover werden häufiger. Die Lunge kann noch anderthalb Liter Luft fassen, ihre Funktion sinkt auf 16 Prozent. „Der Tag hat sich mehr oder weniger nur noch um die Krankheit gedreht.“ Schließlich der Entschluss: ich lasse mich auf die Warteliste für eine Lungentransplantation setzen.
Nach dem Anruf geht alles sehr schnell
Die Ärzte in Hannover stufen Eva Kunzmann als dringlichen Fall ein, sie muss sich in ihrem „Heimatkrankenhaus“ Schillerhöhe aufhalten. Dann kommt der besagte Freitag, der 12. August 2006. Um halb sechs erfährt sie vom Anruf der europäischen Organvermittler bei ihren Ärzten in Hannover. Das Ticket fürs neue Leben ist gebucht: im Krankenwagen zum Flughafen, dann im Learjet nach Norddeutschland, um 22.20 Uhr in den OP-Trakt, um Mitternacht der erste Schnitt. Morgens um vier ist alles vorbei, anderthalb Tage künstlicher Schlaf folgen. Am Sonntagmittag blickt sie in bekannte Gesichter: ihre Eltern. Am Donnerstag schon geht sie selbstständig in die Cafeteria der Klinik. Nach 20 Tagen darf sie heim. „Ein Traumverlauf“, sagt Eva Kunzmann über ihre Geschichte.
Hat sie den Entschluss zur Transplantation bereut? „Nö, keine Sekunde!“ Wieder lacht sie. Weiß sie etwas über ihren Spender? „Keine Ahnung, und das ist auch gut so. Ich will nicht wissen, wer das war. Derjenige ist nicht für mich gestorben.“ Aber er habe ihr ein neues Leben ermöglicht. Natürlich müsse sie viele Tabletten nehmen, die auch das Krebsrisiko erhöhen, und habe dank einer mehrfachen speziellen Blutwäsche eine Abstoßreaktion überstanden. Die ewige Therapie und das Abhusten von Schleim aber sind weg. „Das Leben kann so einfach sein’“, sagt Eva Kunzmann. Dann geht sie Cantuccini backen. Beim Lebenslauf wirbt sie um Organspender.
Was – Wann – Wo beim Lebenslauf
Krankheit
Mukoviszidose ist eine seltene, unheilbare Erbkrankheit. Bei den Betroffenen wird von Geburt an zäher Schleim in vielen Organen produziert, etwa in Lunge, Leber und Darm. In Deutschland leben mehr als 8000 Kinder und junge Erwachsene mit der Krankheit, in Baden-Württemberg sind es rund 850.
Lauf
Der 16. Benefizlauf ist am Sonntag, 6. April, von 8 bis 16 Uhr in Ditzingen, Organisator ist der Mukoviszidose-Verein. Die Läufer suchen sich Sponsoren, die pro Kilometer einen bestimmten Betrag spenden.
Sponsoring
Die Stuttgarter Zeitung ist der Medienpartner des Ditzinger Lebenslaufs.
Teilnehmer
Mitmachen kann jeder, ob jung oder alt, ob Einzelläufer oder Gruppen bis zu 25 Personen. Start und Ziel sind beim Schulzentrum Glemsaue. Es gibt zwei Rundkurse: 3,5 und zwei Kilometer. Nur Gruppen müssen sich anmelden (bis 3. April). Unter www.ditzinger-lebenslauf.de gibt es weitere Infos.