Die Schallmauer von einer Milliarde Lizenzen will das Unternehmen Team Viewer aus Göppingen noch in diesem Jahr mit seiner Fernwartungssoftware erzielen. Diesmal geht es in der Serie Chefsache um den Wachstumskurs und um die Rolle, die der Standort Göppingen für den Global Player bedeutet.

Göppingen – - In der Meetingzone hat Andreas König ein digitales Laufband anbringen lassen. Darauf blinken die Erfolge von Team Viewer: 200 Millionen aktive Nutzer, darunter 350 000 zahlende Kunden, noch in diesem Jahr soll die Software des Unternehmens die Schallmauer von einer Milliarde Lizenzen durchbrechen. Team Viewer ist auf Wachstumskurs, und König ist gekommen, um das zu managen. Seine Mitarbeiter stammten aus der ganzen Welt, sagt er – ein Gespräch über Wachstum, den Standort Göppingen und was eine internationale Belegschaft von ihm erwartet.
Herr König, wenn Sie Ihrer Mutter erklären wollen, was für eine Firma Sie hier eigentlich leiten, was sagen Sie dann?
Das ist eine lustige Geschichte. Als ich angesprochen wurde, diese Rolle hier zu übernehmen, kannte ich, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, das Unternehmen überhaupt nicht. Ich habe meinen Sohn angerufen und ihm von dem Angebot erzählt, da hat er gesagt: Team Viewer? – Na klar, das habe ich bei mir auf dem Rechner. Dann rufe ich meine Schwester an und sage, ich bin jetzt bei Team Viewer. Da sagt sie – sie ist Ärztefrau und macht für ihren Mann das Vorzimmer – klar, das haben wir hier auf dem PC. Dann gehe ich zu meiner Mutter und erzähle ihr von meinem neuen Job, da sagt sie: Team Viewer, ja, das kenne ich. So viel dazu. Sie wusste, was die Software macht. Ich musste ihr nichts erklären.
Was kann die Software denn?
Für die meisten Benutzer ist es einfach ein Tool, mit dem sie anderen helfen können. Sie können sich mit einem anderen Computer verbinden, zum Beispiel dem Ihrer Mutter. Sie weiß sich vielleicht nicht mehr zu helfen, aber Sie können aus der Ferne alles wieder in Ordnung bringen und Ihre Mutter ist happy. Dasselbe ermöglichen wir auch für Mobiltelefone und Tablets. Sie können sich entweder direkt verbinden oder auf dem Bildschirm zeigen, was der Benutzer auf der anderen Seite machen muss. Auf diese Art hilft unsere Software privaten wie professionellen Nutzern weltweit seit vielen Jahren.
An Privatleute verschenken Sie Ihr Produkt. Ist das klug?
Ich bin ein großer Fan dieses Freemium-Modells. Denn es führt zu Viralität, von der wir profitieren. Auf Google-Trends können Sie deshalb sehen, dass wir unter den 1500 meistbesuchten Websites der Welt sind und öfter gesucht werden als große Konzerne wie etwa Cisco, Nokia oder Siemens. Diesen Bekanntheitsgrad müssten wir uns sonst über extrem viel Marketing erkaufen. Von unseren privaten Usern bekommen wir zudem viel wertvolles Feedback. Wir erhalten Vorschläge für neue Features und erfahren sofort, wie gut unser Produkt tatsächlich ankommt. Das ist sehr hilfreich für uns.
So haben Sie sich einen weltweiten Markt erschlossen?
Das ist in der Tat sehr interessant. Wir sind ein sogenanntes Unicorn, also ein junges Tech-Unternehmen mit einem Marktwert von mehr als einer Milliarde US-Dollar, und wir sind das einzige deutsche Unicorn mit einer globalen Verbreitung. Wir haben Büros in Göppingen, Stuttgart, London , in Eriwan (Armenien), in Adelaide (Australien), in Tampa Bay (Florida) und seit kurzem auch im Silicon Valley.
Da können Sie sich prima per Team Viewer vernetzen.
Richtig. Zum einen haben wir das Produkt, um über Standorte hinweg vernetzt zu arbeiten. Zum anderen gehört es zum Stil eines globalen Unternehmens, dass man standortübergreifend agieren kann. Je mehr wir wachsen, desto wichtiger ist es, an bestimmten Standorten präsent zu sein.
Ihre Zentrale ist aber hier in Göppingen. Für die hiesige Wirtschaft ist eher der Maschinenbau typisch. Wie passen Sie da überhaupt rein?
Ich bin Maschinenbauer.
Gut. Aber das Unternehmen?
Wir wollen natürlich in dem Geschäft, das wir schon heute erfolgreich betreiben, nämlich mit der Fernwartungssoftware Team Viewer, weiterhin der Marktführer bleiben. Darüber hinaus wollen wir auch mit unserem Produkt im Bereich Online-Meetings Marktführer werden. Und schließlich passt auch der Trend zum „Internet of Things“ ganz natürlich zu uns: Wie schafft man es, gerade in der Industrie, die Automation, die Maschinen zu vernetzen? Da geht es darum, in die digitale Welt hinein zu wachsen, und wir wollen diejenigen sein, die diese Maschinen mit steuern und mit vernetzen.
Das ist die Industrie 4.0, von der die Bundeskanzlerin immer spricht.
Exakt. Und wir glauben, dass wir dabei eine große Rolle spielen werden. Deshalb ist es gut, hier zu sitzen.
Sie suchen mal wieder ein Dutzend Systementwickler. Ist das in Göppingen schwierig?
Gerade eben habe ich zehn neue Mitarbeiter begrüßt. Wir sind stark am Expandieren und stellen jeden Monat Leute ein. Wir rekrutieren hier, aber wir rekrutieren auch weltweit. Hier arbeiten Menschen aus über 40 Nationen. Wo gibt es das sonst in der Region Stuttgart auf so engem Raum? Wir geben Leuten eine Riesenchance, gerade im Vertrieb. Da sind Lehrer dabei, und Leute, die Französisch, Spanisch oder Italienisch studiert haben und einfach ihre Sprache sprechen wollen. Andere kommen aus Mexiko oder Amsterdam. Da hilft unser Name: Das Produkt Team Viewer kennt beinahe jeder, und das auf der ganzen Welt.
Und wie hilfreich ist der Name Göppingen?
Wer wegen des Jobs von weither kommt, der zieht hierher um. Bei Leuten hier aus der Gegend ist es sowieso kein Problem. Auf der Führungskräfteebene wird es schon spannender. Diese Leute sind eher gewohnt, dass sie in München, London oder Boston arbeiten. Aber auch da finden wir unsere Leute. Unser Finanzvorstand war bei Pro Sieben, der Hauptcontroller kommt aus München, der Marketingchef war in London. Allerdings muss man es dann schon zweimal erklären.
Wie erklären Sie es?
Die Leute fragen zunächst einmal: Wo liegt Göppingen überhaupt? Dann schauen sie auf die Landkarte und sagen: Da liegt ja gar keine große Stadt dabei. Aber wissen Sie: Wenn Sie in einem globalen Unternehmen zum Beispiel für den Vertrieb zuständig sind, sind Sie sowieso ständig auf Achse. Viele pendeln auch. Ich bin am Wochenende in München und unter der Woche hier. Das ist eine Frage des Lebensstils.
Was fehlt den Leuten in Göppingen? Ist es die S-Bahn, wie es immer heißt?
Das bekomme ich eigentlich nicht als Feedback. Die Verbindung nach Stuttgart ist gut. Die Defizite liegen eher im Bereich von Restaurants und Kneipen. Und natürlich fehlt es noch an Hotels.
Sie haben Göppingen wohl auch nicht gekannt, bevor Sie hier angefangen haben.
Ich war bis dahin nur durchgefahren. Allerdings hatte sich die Klasse von meinem Sohn vor vielen Jahren für den Tigerentenclub beworben und ist genommen worden. Daher kenne ich Göppingen.
Und jetzt nochmals zurück zu Team Viewer und einer ganz wichtigen Frage für viele Unternehmen. Wann gehen Sie an die Börse?
Die internationale Beteiligungsfirma Permira hat Team Viewer ja erst im vergangenen Jahr gekauft - für eine knappe Milliarde US-Dollar. Nun arbeiten wir gemeinsam daran, Team Viewer optimal für die Zukunft aufzustellen. Wir wollen die Wachstumsgeschichte weiterentwickeln. Daher wäre es völlig verfrüht, jetzt bereits über einen Exit zu spekulieren.