Die Hofgemeinschaft ist klein, viel kleiner noch als vor Jahrzehnten, als alle miteinander das Gut Mauer bewirtschafteten. 30, 40 Menschen arbeiteten dort. Heute ist nun Platz auf dem Anwesen, das seit mehr als 300 Jahren im Besitz der Familie Leutrum von Ertingen ist.

Korntal-Münchingen - Die Hofgemeinschaft ist klein, viel kleiner noch als vor Jahrzehnten, als alle miteinander das Gut Mauer bewirtschafteten. 30, 40 Menschen arbeiteten dort. Heute ist nun Platz auf dem Anwesen, das seit mehr als 300 Jahren im Besitz der Familie Leutrum von Ertingen ist.

 

Karl Magnus Graf Leutrum von Ertingen hat das Bild noch vor Augen, wie alle zusammensaßen und gemeinsam aßen. Aber allein in Erinnerungen zu schwelgen, ist seine Sache nicht. Schnell ist der einstige CDU-Kreisrat deshalb wieder in der Gegenwart und bei der Diskussion um Flüchtlinge. Der Umgang und das Leben mit Fremden sei auf dem Hof nicht ungewöhnlich, sagt der 83-Jährige. Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten Vertriebene hier gelebt, der Platz sei also da. Doch im Gegensatz zu damals gebe es den Bedarf an Arbeitskräften in der Landwirtschaft heute nicht mehr. Zudem liege der Hof nicht inmitten einer Siedlung – sondern einsam zwischen dem Ditzinger Stadtteil Schöckingen und dem Korntal-Münchinger Ortsteil Münchingen, also nicht ideal für die Integration von Flüchtlingen. Der 83-Jährige konstatiert das sachlich, analysiert die Situation, so wie er dies gemeinsam mit seinem Sohn Clemens Graf Leutrum von Ertingen und Ulrich Ramsaier auch auf dem Hofgut macht.

Sohn Clemens Graf Leutrum von Ertingen und Ulrich Ramsaier sind Geschäftsführer der Firma Humus und Bioenergie, die sich seit 2003 mit dem Thema Bioenergie beschäftigt, mehrere Biogasanlagen verantwortet und sich zunehmend vom reinen Dienstleister hin zu einem Unternehmen entwickelt, das seine Kunden in der Region mit naturnahen Themen ansprechen will. So wird dort etwa Holz aus der Region zu Kaminholz gemacht und in haushaltsüblichen Mengen vertrieben. Landschaftsgärtner kommen ebenfalls auf das Hofgut, weil dort in einem weiteren, gleichwohl unabhängigen Unternehmen auch Rollrasen produziert wird.

„Man muss mit der Zeit gehen“, sagt der 83-jährige Graf Leutrum, der fortgesetzt hat, was sein Vater begonnen hatte. Dieser hatte das Pachtverhältnis mit der Stuttgarter Zuckerfabrik beendet, „weil er selbst Landwirt war und Interesse daran hatte“, sagt Karl Magnus Graf von Leutrum. Die Zuckerfabrik hatte die Anbauflächen 1876 gepachtet und Zuckerrüben angebaut.

Das hatte Tradition. Der Hof war seit Anfang des 18. Jahrhunderts Alleinbesitz derer von Leutrum, wurde aber laut dem Korntal-Münchinger Stadtarchivar Alexander Brunotte als Gutsbetrieb Nippenburg-Mauer im 19. Jahrhundert an Herman von Holtz zu Haunsheim und nach dessen Tod an Karl von Varnbüler zu Hemmingen verpachtet. Aus dem Jahr 1861 ist überliefert, dass die Varnbüler’sche Gutsverwaltung mit den Höfen Hemmingen, Nippenburg und Mauer 20 000 Zentner Rüben an die Zuckerfabrik in Böblingen lieferte. Heute gehört das Hofgut Mauer einer Betriebsgemeinschaft an, die 2005 mit drei Betrieben begann. Mittlerweile sind in ihr zehn Betriebe organisiert, die 1800 Hektar bewirtschaften. Das erlaube einen wirtschaftlichen Ein- und Verkauf der Waren, meint Graf Leutrum.

Im Ballungsraum Stuttgart ist diese Außenhofanlage ein Nachteil für den, der dort lebt. Ein fahrbarer Untersatz ist Pflicht, um Teil der Gesellschaft zu bleiben. Für andere Projekte aber ist die Lage richtig. Es sei eine Frage des Blickwinkels, sagt der 48-jährige Ulrich Ramsaier. „Welche Chance bietet die Infrastruktur?“ Der Landrat und der Kreistag hatten das Potenzial erkannt. Man benötigte einen Standort für die Abfallverwertung, erinnert sich Graf Leutrum. Also verpachtete die Familie einen Teil des Geländes. Seit 2006 betreibt das Hofgut Mauer im Auftrag der Abfallverwertungsgesellschaft des Landkreises Ludwigsburg (AVL) also einen Wertstoffhof. Zudem befindet sich eine Kompostieranlage auf dem Areal.

Auch wenn die Hofgemeinschaft heute nicht mehr in dem Sinne existiert wie vor Jahrzehnten, ist das Miteinander noch entscheidend. „Es muss menschlich passen“, sagt Ramsaier über die Zusammenarbeit etwa in seinem Unternehmen, das in der Umgebung mit Porsche, Bosch und anderen um Arbeitskräfte konkurrieren müsse. „Wir müssen andere Dinge bieten“, sagt er deshalb und verweist damit auf den sozialen Aspekt des Lebens auf dem Hof: die Kooperation mit der Leonberger Karl-Georg-Haldenwang-Schule, einer Schule für geistig behinderte Kinder, besteht seit Langem. Zwei einstige Praktikanten sind auf dem Hofgut reguläre Mitarbeiter.

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