In der Serienadaption „The Tattooist of Auschwitz“ (zu sehen bei Sky & Wow) wird der junge Lale nun eindrücklich von Jonah Hauer-King verkörpert, der vergangenes Jahr als Märchenprinz in „Arielle, die Meerjungfrau“ bekannt wurde. Wir sprachen mit dem 28-jährigen Briten im Interview.
Mr. Hauer-King, Sie spielen die Titelrolle in der Serie „The Tattooist of Auschwitz“, die auf dem Roman „Der Tätowierer von Auschwitz“ von Heather Morris basiert. Hatten Sie von dem Buch vorher schon mal gehört?
Nicht nur das, ich hatte es auch gelesen. Zumindest bei uns in Großbritannien war der Roman 2018 ein echtes Phänomen. Man konnte kaum U-Bahn oder Bus fahren, ohne jemanden mit dem Buch in der Hand zu sehen. Und ich war einer von den Millionen von Lesern, schon allein, weil der Holocaust ein Thema ist, mit dem ich mich auch aus familiären Gründen schon viel auseinandergesetzt hatte. Die unglaubliche Liebesgeschichte von Lale Sokolov und seiner Frau Gita ließ mich jedenfalls nicht mehr los, und als ich von der geplanten Serienadaption hörte, legte ich mich ins Zeug wie bei kaum einer anderen Rolle, die ich haben wollte. Ich sagte sogar ein anderes Projekt vorsorglich ab, noch bevor ich für „The Tattooist of Auschwitz“ überhaupt die Zusage hatte.
Sie haben gerade den familiären Bezug erwähnt: Sie sind selbst jüdisch, ihr Großvater mütterlicherseits stammte aus Polen. Machte das die Arbeit an dieser Geschichte besonders bedrückend?
Es waren ganz viele unterschiedliche Elemente, durch die diese Rolle für mich eine Herausforderung wie keine zweite war. Was mir übrigens gleichermaßen Respekt einflößte, wie Freude bereitete. Einen so populären Roman zu verfilmen ist beispielsweise immer ein Risiko, einfach weil das Enttäuschungspotenzial so groß ist. Und wenn es dann, wie in diesem Fall, auch noch um eine reale Geschichte geht, stellt man sich noch mal einer ganz anderen Herausforderung. Außerdem ist es immer etwas Besonderes, von diesem dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte zu erzählen. Auch ohne meinen familiären Hintergrund spürte ich einen enormen Druck, diesem Stoff und allen Beteiligten wirklich gerecht zu werden.
Wie bereitet man sich auf eine solche Rolle vor?
Zum Glück hatte ich einige Monate Zeit, so dass ich mir ihr Stück für Stück nähern konnte. Zunächst einmal besuchte ich die KZ-Gedenkstätte in Auschwitz, las so viele Berichte von Überlebenden wie möglich und sah jede Dokumentation, die ich in die Finger bekam. Im zweiten Schritt machte ich mir dann speziell die Geschichte von Lale Sokolov zu eigen. Seinem Sohn Gary wollte ich mich nicht aufdrängen, den lernte ich erst zur Premiere der Serie persönlich kennen. Aber mit der Autorin Heather Morris, der Lale seine Lebensgeschichte anvertraut hatte, führte ich natürlich ausführliche Gespräche.
Waren Sie für die Vorbereitung das erste Mal in Auschwitz?
Nein, ich war schon als Jugendlicher einmal dort gewesen, einfach aus Bildungsgründen und persönlichem Interesse. Dieses Mal kam ich natürlich mit einem anderen, professionelleren Blick und sah mir quasi alles mit Lales Augen an. Dennoch war ich einmal mehr von meinen Emotionen überwältigt; diesem Gefühl von enormer Schwere und Dunkelheit konnte ich mich nicht entziehen. Das Böse der menschlichen Natur wird dort greifbar, falls man das so sagen kann.
Für den Dreh wurde das Lager dann zu weiten Teilen in der Slowakei nachgebaut. Kein Filmset wie jedes andere, oder?
Es war wirklich ziemlich bemerkenswert, was unsere Produktionsdesignerin dort geleistet hat. Sie arbeitete auf der Basis der Originalgrundrisse und -baupläne. Das muss man sich mal vorstellen: jeden Tag mit diesen Zeugnissen der Unmenschlichkeit konfrontiert zu sein. Aber auch für uns war es natürlich eine heftige Erfahrung, jeden Tag in diesem Lager arbeiten zu müssen, selbst wenn es nicht das echte war. Mitunter war es verdammt schwierig, professionell und konzentriert zu bleiben und sich nicht von dieser Geschichte und diesem Ort überwältigen zu lassen.
Dazu kam auch eine körperliche Veränderung, die Sie für die Rolle des KZ-Insassen durchmachen mussten. Wie sehr ging Ihnen die an die Nieren?
Am schwersten fand ich ehrlich gesagt das Abrasieren meiner Haare, was ich völlig unterschätzt hatte. Das Gefühl kannte ich eigentlich, denn ich hatte als Teenager schon mal raspelkurze Haare. Aber dann in der Maske zu sitzen, in meiner KZ-Uniform und in Gedanken ganz bei Lale, als der Rasierer angesetzt wurde, das hat mich in dem Moment tief erschüttert.
Im Presseheft zur Serie sprechen Sie im Kontext jüdischer Familien und dem Holocaust von „vererbtem Trauma“. War die Arbeit an „The Tattooist of Auschwitz“ also auch irgendwie kathartisch?
Das mit dem vererbten Trauma ist eine Sache, die sich schwer in Worte fassen oder überhaupt verstehen lässt. Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass die Erfahrungen unserer Eltern und Großeltern in uns nachhallen, auf welche Weise auch immer. Aber ich glaube gar nicht, dass ich diesbezüglich nach Katharsis suche. Eher spüre ich einen großen Stolz, dass ich meinen Teil dazu beitragen durfte, diese Geschichte zu erzählen und vielleicht mit dafür zu sorgen, dass die Erinnerung an jene Zeit nicht verblasst.
Junges Talent aus England
Brite
Jonah Hauer-King, Jahrgang 1995, ist Sohn der US-amerikanischen Theaterproduzentin Debra Hauer und des britischen Restaurantbetreibers Jeremy King. Er ist in London geboren und aufgewachsen.
Rollen
In der BBC-Miniserie „Little Women“ (2017) war Hauer-King als Laurie Laurence zu sehen, in „Arielle, die Meerjungfrau“ (2023) spielte er Prinz Eric.