Service für Blinde in Stuttgart Mehr als nur ein Fahrservice für Sehbehinderte

Stephan Folger fährt seit sieben Jahren ehrenamtlich das Blindenmobil und begleitet Sehbehinderte und Blinde. Foto: Mathias Kuhn

Seit sieben Jahren gibt es auch in Stuttgart das Blindenmobil. Stefan Folger fährt und begleitet Sehbehinderte und Blinde zu besonderen Terminen.

Das grün-weiße Fahrzeug, das Stephan Folger chauffiert, fällt auf. „Mancher Verkehrsteilnehmer drosselt seine Geschwindigkeit, weil er uns für die Polizei hält“, sagt er lachend. Der pensionierte Lehrer ist zwar auch als Freund und Helfer unterwegs, allerdings mit einer anderen Mission. Er verschafft Blinden und stark Sehbehinderten mit dem Blindenmobil mehr Mobilität.

 

Begleitservice der besonderen Art

„Das Blindenmobil ist ein kostenloser Fahr- und Begleitservice der besonderen Art“, sagt Folger voller Überzeugung. Blinde und Sehbehinderte erhalten freie Fahrt. Der Blindenfreunde-Verein finanziert dieses Angebot an einem Dutzend Standorten in Deutschland. In der Region Stuttgart tourt das Fahrzeug seit sieben Jahren. Im Wechsel klemmen sich Folger und Albrecht Siemers von Montag bis Freitag hinter das Lenkrad. Von 9 bis 16 Uhr stellen sie sich in den Dienst der Blinden und Sehbehinderten – einfach, unbürokratisch und mit viel Herz für die Fahrgäste. Ein Anruf bei der Servicenummer 01 51 - 46 50 22 93 genügt, um den Termin abzusprechen.

Kein Taxibetrieb

Es gibt nur wenige Bedingungen: Sehbehinderte und Blinde können den Service für Termine bei Ämtern, Rechtsanwälten und Notaren, bei Erstberatungen in Selbsthilfeeinrichtungen, fachärztlichen Untersuchungen oder auch bei Vorstellungsgesprächen mit möglichen Arbeitgebern anfordern. Aber: „Wir sind kein Taxibetrieb, das heißt, wir fahren Sehbehinderte nicht zu Konzerten, Kulturveranstaltungen, Hausarztuntersuchungen, Einkäufen oder zu Bahnhöfen oder Flughäfen“, sagt Stephan Folger. Dafür geht ihr Service allerdings über das reine Chauffieren und Türaufheben hinaus.

Der Helfer begleitet sie in die Praxis

Hilfe bei Behördengängen

Anna Heinrich hat das Blindenmobil für einen Termin bei ihrem Augenarzt „gebucht“. Selbstverständlich holt Folger die Obertürkheimerin nicht nur direkt an ihrem Arbeitsplatz bei der Nikolauspflege in Untertürkheim ab, sondern begleitet sie auch in die Arztpraxis. „Dafür bin ich dankbar. Wenn ich die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen müsste, würde ich mich wegen der Baustellen und anderer Änderungen der Laufwege zu unsicher fühlen, sicher zum Arzt zu kommen“, sagt die Obertürkheimerin. Wenn es gewünscht wird, bleibt Folger auch in der Praxis oder bei Behördengängen an der Seite seiner sehbehinderten oder blinden Kundinnen und Kunden. „Wir helfen beispielsweise beim Ausfüllen der Formulare, lesen ihnen Texte vor und kontrollieren bei Bedarf auch die Richtigkeit der auszufüllenden Unterlagen“, sagt der ehrenamtliche Helfer.

Für viele ist er eine Vertrauensperson

Vertrauensperson und Gesprächspartner

Er weiß um die Verantwortung, die er auf sich nimmt. Für viele Blinde und Sehbehinderte wird er zu einer Vertrauensperson und zum wichtigen Gesprächspartner. „Wir heben mit der Person Geld ab, und wir tauschen natürlich auch während der Fahrt private Dinge aus, erzählen uns, was wir erlebt haben oder was einen bedrückt.“ Folger kennt manche Familiengeschichte und Schicksale. Der Blindenbegleiter benötigt manchmal Geduld, tröstet, macht Mut und muss manchmal auch von einem Termin zum nächsten hetzen – wenn die Staus in der Landeshauptstadt ihn nicht ausbremsen. Langweilig werde es ihm selten. Die Tage sind meist mit vielen Fahrten belegt. Das Blindenmobil deckt auch den Landkreis Esslingen, Böblingen, Leonberg und Ludwigsburg ab. 350 Kilometer pro Tag sind keine Seltenheit. „Der Dienst macht Spaß. In den sieben Jahren, die ich das Mobil fahre, habe ich noch kein böses Wort der Fahrgäste gehört. Im Gegenteil: Ihre Dankbarkeit ist groß. Wir bekommen von ihnen viel mehr zurück, als wir ihnen geben“, sagt Folger.

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