Was die Politiker an Wohltaten erweisen, müssen wir alle selbst bezahlen – meint unsere Kolumnistin Sibylle Krause-Burger.

Stuttgart - In dieser wahlnahen Vorweihnachtszeit dürfen sich die Bürger wie im Märchen von den Sterntalern fühlen. Vom Himmel der Politik regnet es Wohltaten. Man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll. Geschenke über Geschenke, auch solche, die im Grunde keiner will. Das Betreuungsgeld etwa, von der CSU erpresserisch erzwungen und von der großen Schwesterpartei und den Liberalen zähneknirschend durchgewinkt. Oder das Streichen der Praxisgebühr, das als Krumen für die FDP vom Tisch der Koalition abfiel. Die Sozialdemokraten paradieren mit ihrem Rentenkonzept, das den Alten mehr geben, dafür den Jungen viel wegnehmen und vor allem den Staatssäckel schrecklich schröpfen will. Die Grünen möchten bei Hartz IV zulegen und die Sanktionen für arbeitsunwillige Empfänger aussetzen. Die Union zieht einen staatlich geförderten Gutschein für Haushaltshilfen aus dem Hut. Des sollen wir nun froh und dankbar sein.

 

Sind wir aber nicht. Zumindest nicht alle, wünschen wir uns doch Parteien, die dazu beitragen, dass der Fiskus nach den Regeln einer schwäbischen Hausfrau in Ordnung gehalten wird. Der Staat soll seine Schulden zurückzahlen und keine neuen Schulden machen. Basta! Warum aber veranstalten die Politiker solche Märchenspiele mit uns? Warum hagelt es Wahlversprechen und Wahlgeschenke? Warum tun sie sich und uns das an, den aufgeklärten Bürgern dieser Republik?

Populismus gegen jede zu erwartende Wirklichkeit

Sie tun es, weil sie glauben, es tun zu müssen, damit wir sie überhaupt wahrnehmen, damit sie für uns kenntlich und deutlich voneinander zu unterscheiden sind. Nur deshalb rufen sie: schaut auf diese Partei, he, hallo, wir sind die Christdemokraten, bei denen Ehe und Familie noch hoch im Kurs stehen. Her zu uns, sagen Röslers Leute, wir sind diejenigen, die für Freiberufler und Freiheitsliebende in den Ring steigen. Herbei, herbei, tönt es aus dem grünen Biotop, wir essen vegan, wir sind die Guten, bei uns können Tiere, Pflanzen und auch Migrantinnen und Migranten menschliche Wesen sein. Für die SPD aber gilt von nun an bis in alle Ewigkeit, dass sie die kleinen Leute, wenn Not am Manne oder an der Frau ist, von Staats wegen mit Manna und Ambrosia versorgt. Amen!

Wer’s glaubt, wird selig. Und weil der Mensch vielleicht doch nicht so aufgeklärt ist, wie er sich vorkommt, weil er selig werden will – hoch droben im Himmel, aber doch bitte erst einmal hienieden auf der Erde, glaubt er gerne. Er glaubt den populistischen Versprechungen, auch wenn sie – wie in der Rentenfrage – gegen die demografische Entwicklung, also gegen jede zu erwartende Wirklichkeit abgegeben werden. Dankbar nimmt er auch die Wahlgeschenke entgegen, mögen sie noch so unsinnig, noch so ungerecht und noch so teuer sein.

Die Bürger zahlen die Wahlgeschenke selber

Das summiert sich dann. Verspricht der eine dies, muss der andere jenes nachreichen. Wünsche gibt es ja viele. Die Arbeit an der Gerechtigkeit einer Gesellschaft ist nie beendet. Da kann man sich immer etwas ausdenken, um als Samariter zu glänzen. So also häufen sich die Versprechen. Aus den Versprechen werden Geschenke und aus den Geschenken schließlich Staatsschulden. Und wer bezahlt die? Das bezahlen natürlich die Beschenkten selbst, obwohl fast jeder, der etwas bekommt, denkt, es träfe nur die anderen, und zwar zu Recht. Wir alle, die wir in irgendeinem Zusammenhang zu den Empfängern zählen, sind auch die Schuldner. Womit sich die Katze in den Schwanz beißt. Denn besser wäre es doch – im Politischen wie im Privatleben –, nur auszugeben, was eingenommen worden ist. Und stehen größere Projekte an, muss die Konjunktur belebt, müssen Bahnhöfe gebaut und also Kredite aufgenommen werden, dann sollten die Verantwortlichen wissen, wie man aus der Sache wieder herauskommt.

Aber die Politiker, die armen Kerle und die armen Mädels, können mit dem Versprechen und dem Schenken nicht einfach aufhören, wenn sie bleiben wollen, was sie sind. Denn anders als beim privaten Häuslebauen ist die Sache nie zu Ende. Ein Minister, dem nichts einfällt und der nichts durchsetzt, wird übersehen und von den Medien als Nullnummer abgekanzelt. Eine Partei, die kein Programm hat und keine reich bestückte Geschenktruhe mit aufgeklapptem Deckel herumreicht, wird nicht gewählt.

Schröder nahm Gefälligkeiten zurück

Der erfolgreichste politische Geschenkonkel in der Geschichte der Bundesrepublik war Konrad Adenauer, der dem Volk anno 1957 die dynamische Rente bescherte und danach für die CDU die absolute Mehrheit errang. Helmut Kohl versprach im Jahr 1990 den Ostdeutschen blühende Landschaften und blieb Kanzler, auch im wiedervereinigten Deutschland. Frau von der Leyen brillierte mit der Zusage eines Rechtsanspruchs auf Kitaplätze für Kinder unter drei Jahren. Mal sehn, ob bis zur Bundestagswahl im kommenden Herbst eine halbwegs überzeugende Wirklichkeit daraus wird.

Nur Gerhard Schröder war mutig. Er gab nicht, er nahm. Mit der heiß umkämpften Agenda 2010 sorgte seine rot-grüne Regierung dafür, dass die überbordenden Gefälligkeiten zurückgefahren wurden, auf dass sie der Wirtschaft nicht weiter den Lebensnerv abdrückten. Er hat Deutschland vorangebracht – und wurde abgewählt. Jetzt aber demontieren seine Gefolgsleute ihr segensreiches Werk von damals Stück für Stück. Na klar, wie anders könnten sie sonst siegreich sein?