Der vereitelte Anschlag auf den dänischen Mohammed-Karikaturisten zeigt: ein Stück von Hollywood ist Wirklichkeit geworden.

Arhus - Draußen in der Welt lauern Gefahren. Aber es muss zu diesem Draußen auch ein Drinnen geben, einen Ort, an dem wir unantastbar sicher sind. So wünschen wir uns das jedenfalls. Hollywood erinnert uns regelmäßig profitabel an die Verletzlichkeit des Drinnen, daran, dass die Haustüre keine undurchdringliche Barriere zwischen der konfliktreichen Gesellschaft und unserem Privatleben bildet.

Vor knapp acht Jahren kam ein Film ins Kino, der Sicherheitsversprechen und Gefährdung auf die Spitze trieb. In David Finchers "Panic Room" birgt ein New Yorker Luxusapartment einen ganz besonderen Raum, einen Menschensafe aus Stahlbeton mit Panzertür, eine Ausharrbastion mit eigenen Vorräten, Luftfiltern, Notrufleitungen für den Fall, dass böse Mächte die äußeren Mauern überwinden. Jodie Foster und Kristen Stewart spielten Mutter und Tochter, die tatsächlich in den Panikraum flüchten müssen - vor Kriminellen, die nun versuchen, auch diesen Hort zu knacken.

Von einem Panic Room hörten damals wohl die meisten Kinogänger erstmals etwas. Er mag ihnen wie ein weiteres bizarres Detail des Lebens der Superreichen vorgekommen sein. Um vor Entführung oder Folter - zur Abpressung einer Tresorkombination etwa - sicherer zu sein, mussten Millionäre also mit einem Konstrukt leben, das die Gefangennahme der Reichen durch den Reichtum versinnbildlicht.

"Panic Room" lief 2002 achtbar, aber er war kein Superhit. Er war seitdem aber auch keinen Tag als DVD vergriffen. Als zu Neujahr die Nachricht lief, der 74-jährige dänische Karikaturist Kurt Westergaard habe sich vor der Axtattacke eines religiösen Fanatikers in einen Panic Room retten können, wussten viele Menschen durch Finchers Film, was sie sich darunter vorzustellen hatten. Populäres Kino, könnte man nun wieder einmal preisen, fasst in seinen nur scheinbar wild übersteigerten Bildern das ins Auge, was wir noch nicht wirklich wahrhaben wollen, was aber bald zu unserem Leben gehören wird. Aber vielleicht kann man am Schritt von Finchers Spielfilm zu Westergaards Todesangst auch ablesen, dass diese Kinobilder nicht nur Warnseismograf, sondern auch Empörungsberuhiger sind.

Westergaard ist kein Superreicher. Er wurde nicht durch die Ungleichheit der Güterverteilung zum Ziel, sondern durch eine anderen missfallende Meinungsäußerung. Sein Panikraum ist auch kein massiver, eigenes konstruierter Bunker, sondern ein nachgerüstetes Badezimmer. Daran sieht man, wie nahe Ausnahmezustand und Normalität mittlerweile beieinanderliegen, wie vorstellbar uns das Unvorstellbare geworden ist. Ein kleiner Zeichner hat einen Panikraum, bald der Ladenbesitzer nebenan, und irgendwann ist dieser verbunkerte Raum vielleicht ebenso Standard des Wohnangebots wie Küche und Bad.

Das Extreme schlüpft durch die Bilder von Film und Fernsehen aus dem Lager des Schockierenden hinüber in den Kreis des Vertrauten. Dass wir nun vom Panikraum eines Karikaturisten hörten, löst keinen durchgreifenden Schock des Ungeheuerlichen mehr aus. Eher neben Empörung und Bestürzung so etwas wie zufriedenes Wiedererkennen: "Ach, wie bei Fincher." Wir sind auf seltsame Art auch ein wenig zufrieden mit der Entwicklung der Wirklichkeit, weil sie unseren Medienkonsum von gestern als sinnvoll beglaubigt. Aber eigentlich wollten wir uns doch im Flug der Fantasie nicht an Varianten des Eingesperrtseins gewöhnen, sondern Ideen von Freiheit entwickeln?