Der schwere Fahrrad-Unfall in Berlin bringt das Thema Helmpflicht wieder ins Gespräch. Verkehrs- und Fahrradexperten halten die Vorschrift allerdings für wenig sinnvoll.

Berlin - Der Unfall-Tod eines 55 Jahre alten Fahrradfahrers in Berlin hat die Debatte über die Sicherheit von Radfahrern im Straßenverkehr neu entfacht. Ein saudischer Diplomat soll im Halteverbot stehend achtlos die Wagentür aufgerissen haben, der Radfahrer konnte nicht mehr ausweichen und starb an seinen schweren Verletzungen. Der Unfall machte einmal mehr eine mögliche Helmpflicht zum Diskussionsthema.

 

Zu den entschiedensten Gegnern einer Helmpflicht gehört seit Jahren der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC). Der Club befürchtet, dass eine solche Pflicht die Menschen vom Radfahren abhalten könnte. Das hätte die Einführung der Pflicht in anderen Ländern gezeigt, sagte ADFC-Sprecher René Filippek am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Dem Sicherheitsproblem lasse sich auch anders begegnen: „Man kann den Verkehr sicher organisieren, man muss es nur wollen“, so Filippek. So könnten Lastwagen etwa mit Assistenzsystemen ausgestattet werden, die vor Radfahrern im toten Winkel warnen.

Polizei sieht Helmpflicht skeptisch

Auch könnten baulich abgetrennte Radspuren die Sicherheit erhöhen. Der ADFC habe nichts gegen Helme, sagt der Sprecher. Kindern und Senioren empfiehlt der Club auch ausdrücklich, einen Helm zu tragen. Alle anderen sollten das aber selbst entscheiden. Schützenhilfe erhält der Rad-Club dabei vom ADAC: Zwar empfiehlt der Auto-Club ausdrücklich allen Radfahrern, einen Helm zu tragen. Auch er spricht sich jedoch gegen eine Helmpflicht aus und argumentiert dabei eher mit den rechtlichen Konsequenzen. So wären verunglückte Radfahrer, die keinen Helm getragen haben, im Falle einer Helmpflicht nicht mehr versichert, heißt es in einem Positionspapier aus dem Mai.

Auch die Berliner Polizei steht einer Helmpflicht eher skeptisch gegenüber. Die Polizei empfehle jedem Radfahrer, einen Helm zu tragen, sagte eine Sprecherin am Freitag. Eine Verpflichtung dazu sei jedoch schwer kontrollierbar.

Die Landesregierungen in Baden-Württemberg stellte im Frühjahr die Ergebnisse einer Studie zum Thema Helmpflicht vor. Die Forscher errechneten, dass sich bis zu 80 Prozent der Kopfverletzungen bei schwer verletzten Radfahrern durch das Tragen eines Helmes vermeiden ließen. Der Schutzeffektes eines Helmes steige mit der schwere der Verletzung. Die Studie befasste sich auch mit Auswirkungen der Helmpflicht in anderen Ländern.

Neuseeland als Vorbild?

Als Beispiel für eine erfolgreiche Einführung nennen die Autoren Neuseeland: Dort sei die Quote der Helmträger durch die Pflicht auf 90 Prozent gestiegen. Das liege daran, dass das Land die Pflicht mit strengen Kontrollen und Strafen durchgesetzt hat.

Auch die Berliner Regierung versucht, die Sicherheit durch eine bessere Aufklärung zu verbessern. Seit fünf Jahren wirbt die Stadt unter dem Motto „Berlin nimmt Rücksicht“ für mehr gegenseitigen Respekt im Straßenverkehr. Mit ihrem Versprechen, die Situation für die Radfahrer in Berlin zu verbessern, geriet Verkehrssenatorin Regina Günther (parteilos) gerade erst in Verzug, als sie das geplante Radgesetz vertagte. In den bisher öffentlich gewordenen Entwürfen für das Gesetz ist von einer Helmpflicht nicht die Rede gewesen. Für eine Stellungnahme zu dem Thema war die Senatsverwaltung für Verkehr am Freitag nicht zu erreichen.

Der 55 Jahre alte Radfahrer, der am Mittwoch starb, ist der 13. Verkehrstote dieses Jahres. Bisher sind drei Motorradfahrer, drei Autoinsassen, vier Fußgänger, zwei Radfahrer und ein weiterer Mensch gestorben. Im vergangenen Jahr starben in Berlin 56 Menschen bei Verkehrsunfällen, darunter 17 Radfahrer.