Eine Fünfjährige wird in einer Gemeinde in Sierra Leone brutal vergewaltigt. Zunächst war unklar warum das Mädchen seine Beine nicht mehr bewegen und seinen Urin nicht mehr kontrollieren konnte.

Freetown - Zunächst konnte sich niemand erklären, warum das fünf Jahre alte Mädchen seine Beine nicht mehr bewegen und seinen Urin nicht mehr kontrollieren konnte. Monatelang lag es auf der Erde, konnte nicht gehen oder spielen. Manche in der Gemeinde in Sierra Leone machten Hexerei für seinen Zustand verantwortlich, doch der wahre Grund war viel entsetzlicher: Das Kind war brutal vergewaltigt worden, die Lähmung war von den Verletzungen verursacht.

 

Der Fall hat das Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder in dem westafrikanischen Staat ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Solche Verbrechen werden dort häufig familienintern im Privaten geregelt. Doch im Februar erklärte Präsident Julius Maada Bio sexuelle Gewalt zum nationalen Notstand und kündigte an, der Fünfjährigen zu helfen, sich im Ausland medizinisch behandeln zu lassen.

Kampf gegen sexuelle Gewalt schwierig

Mehrere Monate später zeigt der Fall, wie schwierig der Kampf gegen sexuelle Gewalt sein kann: Der Vater des Mädchens erhob Einspruch dagegen, dass die Vergewaltigung vor Gericht kommt. Die Polizei musste eine einstweilige Verfügung erlassen, damit das Kind weiter ärztlich behandelt werden kann. Ein Prozesstermin wurde bislang nicht festgelegt, noch nicht einmal ein Staatsanwalt bestimmt.

Auch für das Mädchen hat sich noch nicht viel verändert. „Sie hat keine Ahnung von Kaution oder keine Kaution. Aber sie ist betroffen darüber, dass er läuft, er beweglich ist, und sie nicht“, sagt Fatmata Sorie, die Anwältin der Fünfjährigen, mit Blick auf den Täter. Der Beschuldigte – ein Onkel des Kindes – befindet sich in Haft, während der Fall vor dem Hohen Gericht des Landes anhängig ist.

Opfer zum Tatzeitpunkt erst vier Jahre alt

Fatima Maada Bio, die Frau des Präsidenten, setzt sich für die Rechte von Mädchen ein und hörte zuerst von dem Fall. Gemeinsam mit ihrem Mann reiste sie zum Frauenzentrum Aberdeen, wo die Fünfjährige kostenlos betreut wird. Dort wurde festgestellt, dass das Opfer zum Zeitpunkt der Tat erst vier Jahre alt war.

Trotz breiter Unterstützung für Opfer sexueller Gewalt war die einseitige Proklamation des Präsidenten vom Februar nicht unumstritten: Abgeordnete der Opposition erhoben Widerspruch. Das Parlament muss die Maßnahme noch billigen, wenngleich der Generalstaatsanwalt die Richter anwies, sie bereits umzusetzen. Sie sieht die Bildung einer besonderen Polizeiabteilung für Fälle von Übergriffen auf Minderjährige vor. Und am bedeutendsten: Vergewaltigung von Kindern soll künftig mit lebenslanger Haft bestraft werden. Bislang galt eine Höchststrafe von 15 Jahren, eine Mindeststrafe gab es nicht. Anwälte berichten von einem Fall im vergangenen Jahr, in dem ein wegen Vergewaltigung einer 13-Jährigen schuldig gesprochener Mann nach 24 Stunden wieder freikam.

Neuer Fokus der Regierung auf sexuelle Gewalt

Die Betreuer des Mädchens am Frauenzentrum Aberdeen fordern eine vollständige Umsetzung des Gesetzes zur Abschreckung. Einen Notstand zu erklären und die Verhängung lebenslanger Haft anzukündigen sei in Ordnung, sagt Ivy Kalama von der Stiftung Freedom from Fistula, die die Klinik betreibt. „Aber bis das einer Person, zwei Leuten passiert – dann erst fangen wir an zu sehen, dass das Gesetz wirkt.“

Die Regierung muss auch die Finanzierung einer rund um die Uhr besetzten Hotline sicherstellen und jene ausbilden, die in der Sonderabteilung für kindliche Opfer arbeiten werden. Unklar ist auch noch, wie gut der Zugang zu den neuen Dienstleistungen für Menschen in den ländlichen Gebieten Sierra Leones sein wird. Anwältin Sorie lobt den neuen Fokus der Regierung auf sexuelle Gewalt. Sie warte nur darauf, dass einiges davon nun auch geschehe.

Fünfjährige auf Rollstuhl angewiesen

Die Fünfjährige kann ein Jahr nach dem Überfall noch immer nicht wieder gehen und ist auf einen Rollstuhl angewiesen, um sich auf dem Gelände der Klinik zu bewegen. Sie wird wegen wunder Stellen am Rücken behandelt, die sich bildeten, während sie über Monate bewegungslos zu Hause lag. Eines ihrer Beine ist gebrochen, möglicherweise eine Komplikation ihrer Lähmung. Sie liegt nun mit einem Streckverband in einem Krankenhausbett. Ein kleiner Fuß mit rosa Nagellack spitzt aus dem Verband hervor. Krankenschwestern reden ihr gut zu, damit sie etwas isst und die Genesung schneller verläuft. Sie wünscht sich Cornflakes statt Reis zum Frühstück.

Ein Jahr lang war sie nicht mehr in der Schule und wird langsam ungeduldig. „Erst gestern hat sie gesagt, dass sie in die Schule gehen möchte und ein Motorrad dafür brauchen wird“, erklärt ihre Mutter. „Als ihre Großmutter hier war, hat sie sie manchmal gefragt: „Wann kann ich wieder laufen?““