Musik aus Kopfhörern statt aus dröhnenden Lautsprechern: Die Tanz- und Theaterwerkstatt hat in der Ludwigsburger Karlskaserne zur „Silent Disco“ eingeladen.

Ein etwas skurriler Anblick hat sich in der Nacht zum Sonntag im Innenhof des Kunstzentrums Karlskaserne geboten. Tanzende Menschen, manche für sich allein, andere in Grüppchen, manche raumgreifend und ruhig, andere rhythmisch und ausgelassen. Und das scheinbar ganz ohne Musik. Nur leuchtende Kopfhörer auf ihren Ohren verraten, dass sie sich nicht in der Stille bewegen.

 

Auf dem Heimweg klingeln nicht die Ohren

Die Tanz- und Theaterwerkstatt (TTW) hat am Wochenende zu ihrer ersten „Silent Disco“ eingeladen. Bei diesem zu Beginn der 2000er-Jahre entstandenen Format feiern zwar alle am selben Ort, aber jeder entscheidet selbst, zu welcher Musik er tanzen will und wie laut sie sein soll. Wer eine Pause braucht, kann seine Kopfhörer einfach abnehmen. Gespräche müssen gegen keine Lärmkulisse ankämpfen und auf dem Heimweg klingeln nicht die Ohren. Denn über die Kopfhörer kann man die Lautstärke selbst regulieren und beim Tanzen zwischen verschiedenen Musik-Kanälen wechseln: Zwei DJs sorgen auf dem Karlskasernen-Areal für Auswahl.

Was von außen betrachtet merkwürdig wirkt, funktioniert auf der Tanzfläche erstaunlich gut. „Man hat schon gesehen, wann die Leute mehr rot hatten und wann weniger“, erklärt DJ Rob The Bank, deswegen sei es eigentlich nicht schwerer, auf die Tanzenden einzugehen, als bei einer „normalen“ Party mit lauter Musik. Rot, so leuchten die Kopfhörer derjenigen, die sich gerade zu seinem Mix bewegen. Wer mit grünem Licht durch den Innenhof tanzt, lauscht hingegen Tanztherapeutin Konstanze Fladts Playlist. Sie ist weniger beat-lastig und lädt zu ausschweifenden Bewegungen ein.

Dass mitten im Wohngebiet auf eine so rücksichtsvolle Art gefeiert kann, freut die TTW-Geschäftsführerin Bettina Gonsiorek. „Der Hof ist so schön, dass man ihn mehr nutzen will“, erklärt sie. „Und mit den Kopfhörern stört man keine Anwohner.“ Außerdem sei eine Silent Disco vielleicht ein Weg, auch Innenräume der TTW für Partys zu nutzen, deren Akustik für laute Musik nicht geeignet ist. Auch bieten parallel auflegende DJs das Potenzial, mit einer Veranstaltung mehrere Generationen anzusprechen.

In der Pandemie Corona ein Schnippchen geschlagen

Konstanze Fladt findet die Gruppe im Hof altersmäßig schon sehr gut gemischt. Sowohl altbekannte TTW-Affine als auch neue Gesichter haben zusammengefunden. „Ich bin eher zuständig für Ü40“, sagt Fladt. Ihr sei das Konzept der Silent Disco aus Pandemie-Zeiten bekannt – als Möglichkeit, „Corona ein Schnippchen zu schlagen“, weil man sich, wie im Kasernen-Hof, mit viel Abstand verteilen kann, ohne dass die Musik leiser wird. Der Kontakt zwischen den Tanzenden sei aber doch etwas, das sie hier auf Dauer vermisse.

Auch Disco-Gast Nina Kuhn beschreibt das fehlende „Wir-Gefühl“, das der Weitläufigkeit der Örtlichkeit geschuldet sei. Eigentlich gefallen ihr Silent Discos aber gut: „Es werden alle musikalisch abgeholt“, auch, wenn man mit einer größeren Gruppe unterwegs sei.

An diesem Abend wünschen sich viele allerdings eine größere Musikauswahl. Gerade von den Jüngeren kommt die Anregung, auf einem Kanal auch Pop-Musik oder bekanntere Hits anzubieten.

Obwohl die Rückmeldungen der Disco-Besucher gemischt sind, ist Bettina Gonsiorek guter Dinge. „Für uns und unsere DJs ist es auch ein Experiment!“ Sie freut sich darüber, dass der Innenhof zur Geltung kommt, und dass das Wetter gehalten hat: „Wir haben sogar Sterne!“