Eine Party, bei der jeder über seinen eigenen Kopfhörer Musik hört - macht das Spaß? Campuskind-Kolumnistin Wiebke Wetschera findet schon und hat leise in den Mai getanzt.

Stuttgart - „Now, the party don't start 'til I walk in“, das hat Kesha schon vor einiger Zeit erkannt. Und das gilt natürlich auch für mich, finde zumindest ich. Heißt so viel wie: Wenn ich da bin, dann wird die Musik richtig laut aufgedreht, dann lässt der Bass die ganze Disco vibrieren und alle Menschen tanzen so richtig los. Soweit zumindest in der Theorie. Praktisch ist das noch nicht passiert, aber in meiner Fantasie. Und Fantasie ist ja bekanntlich wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.

 

Stille in der Disco

Nun, als ich am Mittwochabend in die Disco kam, da dachte ich: Heute Abend ist es soweit. Heute Abend wird es so, wie ich es mir immer vorgestellt habe. Der DJ dreht die Musik laut auf, sobald er mich sieht. Voller Vorfreude betrete ich also den Club, endlich ist der Moment gekommen. Doch dann ein unerwartetes Geräusch. Kein Bass, keine Drumms, keine Gitarrenklänge, kein Gesang – einfach nur Stille. So hatte ich mir das aber nicht vorgestellt.

Aber genau so war es gedacht, auf der Silent Party im Mono Stuttgart. Auf den ersten Blick und das erste Mal horchen ist alles still, aber sobald man seine Kopfhörer aufsetzt, dreht sich die Welt einmal komplett. Ich fühle mich noch besser, als wenn die Party jetzt, da ich in dem Club bin, endlich starten würde. Egal ob ich grad Lust auf Bravo Hits oder die besten Sounds aller Musikrichtungen habe, mein Kopfhörer erfüllt mir jeden Wunsch. Und so tauchen wir ab in die Welt der Musik, während es in der Disco komplett still ist.

Naja, fast. Anscheinend bin ich nämlich nicht die einzige, die in der Disco gerne mal mitsingt. So wie andere Menschen unter der Dusche, still und heimlich. Da hört es ja auch keiner. Normalerweise ist das auch in der Disco der Fall. Aber wenn ich jetzt meine Kopfhörer abnehme, dann höre ich einen Mix aus schiefen Tönen und Grölen, wie es bei einem Fußballspiel nicht schlechter klingen würde. Noch dazu ein ganz persönlicher Fußball-Gröl-Mix aus den Best-of-Hits der letzten hundert Jahre. Ein Remix der besonderen Art, mehr lässt sich da nicht zu sagen. Ich setze meine Kopfhörer wieder auf und gröle selbst lauthals mit. Wie kann man da denn auch widerstehen. Es läuft „Baby one more time“ von Britney Spears und ich tanze und schreie drauf los.

Fraktion: Ich kann nicht tanzen

Es gibt ja einige Menschen, die nicht tanzen können. Das ist ok, schließlich kann man nicht alles können. Aber wer auf einer Silent Party nicht tanzen kann, der fällt nicht mal auf. Also, ihr Bewegungslegastheniker da draußen, das ist eure Chance. Denn wenn man sich dann arhythmisch bewegt, fällt mir das doch nicht auf. Ich schiebe es einfach darauf, dass mein Gegenüber den anderen Kanal eingeschaltet hat und sich deshalb so komisch bewegt.

Einmal, da kann ich dann aber doch nicht widerstehen und schalte auch um, um zu hören, wozu dieser Mensch sich denn gerade mehr oder weniger rhythmisch bewegt. Auch der andere Song passt nicht so wirklich dazu. Ich bilde mir ein, es gäbe vielleicht noch einen dritten Kanal, den mein Kopfhörer eventuell nicht besäße und schon vergesse ich wieder alles um mich herum. Ich bin in einer anderen Welt, in der ich meine eigene Party feiere. Eine Party, die erst beginnt, wenn ich den Raum betrete. Sobald ich meine Kopfhörer aufsetze. Also Ruhe, bitte.