Als Sie auf einer Pressekonferenz verkündeten, dass Sie 2018 als Chefdirigent, dann im Alter von 63 Jahren, in Berlin aufhören, erwähnten Sie als Liverpooler den Beatles-Song „When I’m 64“ – insbesondere die Zeilen: „Will you still need me, will you still feed me?“ Ab kommender Saison wird Sie das London Symphony Orchestra „füttern“, wo Sie als Chefdirigent beginnen. Was sind Ihre Pläne mit diesem Orchester?
Das Orchester ist nicht so privilegiert wie die Berliner Philharmoniker. Die Musiker dort haben ein härteres Leben. Das London Symphony Orchestra ist immer neugierig und wartet darauf, was als nächstes kommt. Die Berliner Philharmoniker denken viel über ihre große Tradition nach. Über die Vergangenheit spricht man beim London Symphony gar nicht. Das Orchester hat ein großes Potenzial. Ich freue mich sehr darauf. Es gibt bei mir schon das Gefühl des Nachhause-Kommens. Ich kenne viele Orchestermitglieder schon sehr lange – mit manchen habe ich bereits zusammen im Jugendorchester in England gespielt.
Sie werden allerdings nicht nach London ziehen, sondern mit Ihrer Familie in Berlin wohnen bleiben. Was denken Sie als Engländer über das Deutschland der letzten Jahre?
Es ist der Ort, wo unsere Kinder geboren sind, wo sie aufwachsen und zur Schule gehen. Ich finde es faszinierend, hier als Immigrant zu leben. Deutschland hat sich sehr verändert in den letzten fünfzehn Jahren. Das war für die deutsche Psyche eine außerordentliche Zeit. Wer hätte gedacht, dass Deutschland so eine große Party machen kann wie nach dem Gewinn der Fußballweltmeisterschaft? Im Augenblick scheint Deutschland einer der wenigen Orte zu sein, die als moralischer Kompass der Welt dienen. Ich bin glücklich und stolz darauf, hier zu leben. Und ich freue mich sehr, dass meine Kinder an einem Ort aufwachsen, wo die Menschen versuchen, die richtigen Dinge zu tun. Aber ich unterstütze immer noch den FC Liverpool.
Mit Jürgen Klopp als Trainer.
Exakt. Einer der wenige Fußballtrainer, die scheinbar von allen verehrt werden. Er hat dort viel in Bewegung gebracht und ist der ungewöhnlichste Liverpooler, den man sich vorstellen kann.

Das Gespräch führte Georg Rudiger