Erstmals dürfen bei einer Kommunalwahl am 25. Mai Minderjährige abstimmen. Die Stadt Sindelfingen lud sie zum Kommunalwahl-Planspiel und einem Gespräch mit dem Oberbürgermeister ein.

Sindelfingen - Bärbel Peter ist 40, Hausfrau, verheiratet, hat zwei Kinder und sie engagiert sich für das Tüpfelsumpfhuhn. „Ich hab’ ja eine schreckliche Rolle!“, beschwert sich die 16 Jahre alte Hanna bei ihrem Sitznachbarn. Beim kommunalpolitischen Planspiel, das die Landeszentrale für politische Bildung am Freitag im Sindelfinger Rathaus organisiert hat, hatte die Zehnklässlerin Hannah vom Gymnasium Unterrieden die Rolle des Bürgerinitiativmitglieds Bärbel Peter gezogen, die sich gegen den Bau eines Supermarkts im Naturschutzgebiet wehrt.

 

Auch so manch anderer war mit der ihm zugefallenen Rolle nicht glücklich. „Ich will kein Grüner sein“, monierte ein Junge. „Es geht nicht darum, wer ihr sein möchtet, ihr sollt euch in andere Positionen hineinversetzen. Deshalb werden die Rollen nach dem Zufallsprinzip vergeben“, erklärte Wolfgang Berger von der Landeszentrale die Spielregeln.

Diskussion mit dem Oberbürgermeister

Einen ganzen Tag lang spielten Sindelfinger Jugendliche eine Gemeinderatswahl durch. Jede Partei musste ihr Programm vorstellen und im Wahlkampf für die eigene Position werben. Drei Bürgerinitiativen erschwerten den Kandidaten die Arbeit. Und alle wurden zudem wachsam von vier Journalistinnen beobachtet – auch diese waren Schülerinnen des Pfarrwiesen- und Unterrieden-Gymnasiums, die in die Rolle der Medienvertreter schlüpften.

Das Ziel dieses Aktionstags, zu dem auch eine Diskussionsrunde mit dem OB Bernd Vöhringer gehörte: die Jungwähler auf die Kommunalwahl einzustimmen. Denn bisher waren sie außen vor, doch nun dürfen sie mitmischen: alle 16 und 17 Jahre alten Jugendliche sind am 25. Mai erstmals bei einer politischen Wahl dabei. Ihre Stimme dürfen sie jedoch nur bei der Wahl der Kreis- und Stadträte abgeben. Bei der gleichzeitig stattfindenden Europawahl gilt nach wie vor das Mindestwahlalter 18.

Die Hälfte der Jugendlichen wolle zur Wahl gehen, weiß Berger von der Landeszentrale für politische Bildung aus Umfragen. „Doch gleichzeitig fordern sie mehr Information.“ Diese erhielten sie im Ratssaal, wo sonst die Stadträte tagen.

1273 Minderjährige dürfen wählen

Sämtliche 1273 Sindelfinger Wahlberechtigte unter 18 Jahren hatte Matthias Riesterer vom Jugendbüro der Stadt angeschrieben. 50 folgten der Einladung zur Diskussion mit dem Rathauschef. Dabei nahmen die jungen Leute kein Blatt vor den Mund. „Der Marktplatz muss belebt werden“, forderte ein Teilnehmer. Auch Bildungsthemen nahmen breiten Raum ein. Über Gemeinschaftsschulen und Mensen wurde gesprochen, aber auch über aktuelle kommunalpolitische Themen wie die Zukunft des Stern-Centers. Der OB erklärte den Jugendlichen auch, welche Aufgaben die Stadtverwaltung hat und was die Gemeinderäte zu tun haben. „Das war sehr interessant. Vieles habe ich nicht gewusst“, sagte der 15 Jahre alte Marcus. Mitwählen darf er am 25. Mai trotzdem nicht, weil er dann noch nicht ganz 16 und deshalb nicht wahlberechtigt ist.

Ganz sicher zur Wahl geht hingegen Akif Göler. „Ich bin politisch interessiert“, sagt der Elftklässler, der auch selbst in der Schülermitverantwortung (SMV) des Pfarrwiesengymnasiums aktiv ist. Bei einem Infotag zur Wahl in seiner Schule, bei dem sich alle Parteien vorstellten, haben den jungen Mann die SPD und die Grünen überzeugt. Beim kommunalpolitischen Planspiel hingegen musste er in die Rolle eines 56 Jahre alten CDU-Rats schlüpfen.