Die schlichte Halle neben Singapurs Flughafen beherbergt Gemälde, Gold, Diamanten und Ferraris – nach diesen wertvollen Gütern fragt keiner. Außen unscheinbar, beherbergt die Halle Reichtümer, die hier von ihren Besitzern gelagert werden.

Singapur - Das braune Gebäude im Schatten von Singapurs internationalem Flughafen scheint so schäbig und sorglos gebaut wie die meisten Industrieanlagen des Inselstaats. Aber kaum öffnet sich eine der grauen Eingangstüren, wähnt der Besucher sich in einem utopischen Raumschiff. Eine gigantische Bogenskulptur von Ron Arad, die sich sinnigerweise „Käfig ohne Grenzen“ nennt, überspannt das Gebäudeinnere. Wie von Geisterhand öffnen sich dicke, bis zu sieben Tonnen schwere Metalltüren und machen den Weg in schmucklose Hallen mit Betonwänden frei. In den oberen Etagen warten elegante Büros auf Kunden, die zu jeder Tages- und Nachtzeit auftauchen können.

 

Willkommen im Freihafen von Singapur, in dem Superreiche diskret Geschäfte abwickeln und Kunstliebhaber Teile ihrer wertvollen Sammlungen steuerfrei lagern oder verkaufen können. Eindringliche Fragen seitens der Behörden müssen sie nicht fürchten. Der Eintrag „Gemälde“ genügt. „Wenn sie bei einer Bank ein Schließfach mieten, weiß niemand, was darin liegt“, sagt Alain Vandenborre, der Chef des diskreten Lagers für allerlei Wertvolles, „ hier ist es genauso. Kunden brauchen nur ihren Code, der die Beschaffenheit beschreibt. Also Wein, Gold oder Gemälde.“

Das Schweizer Unternehmen Natural Le Coultre, das größte Kunst- und Logistikunternehmen des 1888 gegründeten Freeports in Genf, hält die Mehrheit im Freeport Singapur. Das Gebäude, halb Bunker und halb Galerie, wurde von Schweizer Architekten, Ingenieuren und Sicherheitsexperten entworfen. So entstand eine Einrichtung, in der Milliardäre ihre Ferrarisammlung vor der scheidungswilligen Ehefrau und deren Anwälten verstecken können. Tycoons lassen sich in Luxuslimousinen die paar Schritte vom Flughafen Changi zum Freeport kutschieren, um endlich mal wieder einen Blick auf ihren Van Gogh oder Picasso werfen zu können. Das Auktionshaus Christie hat 40 Prozent der Anlage gemietet, um zwischen seinen verschiedenen Auktionen zur Versteigerung vorgesehene Artikel zu lagern.

Reichtum wird in Goldbarren angelegt

Geht es nach den Behörden Singapurs, dann wird die 100 Millionen US-Dollar teure Lagerhalle bald zum Fort Knox Asiens. Kürzlich hat Singapur die Einfuhr von mindestens 99 Prozent reinem Gold und qualitativ einwandfreien Diamanten und Edelsteinen von jeder Umsatzsteuer befreit. Singapur will damit Zürich und London Konkurrenz als Handelszentrum für das Edelmetall machen. Der Schritt liegt nahe, nachdem der Inselstaat sich in den Jahren 2000 bis 2009 zu einem Bankzentrum für Wohlhabende entwickelte. In dem Zeitraum verdoppelte sich die Zahl der Privatbanken auf 42 Geldhäuser. Die Einlagen kletterten von 50 Milliarden US-Dollar auf 300 Milliarden US-Dollar. „Vor allem Schweizer Banken“, so schrieb das ,Wall Street Journal Asia‘ im Mai 2010, „rannten Singapur die Bude ein.“

Inzwischen rennen Schwerreiche die Türen von Freeport ein, weil sie das Vertrauen in internationale Aktienmärkte verloren haben. Heutzutage legen sie ihren Reichtum nicht nur lieber in Gold an, sie kaufen gleich ganze Barren. Das Problem dieser Form von Geldanlage: wo sollen die wertvollen Stücke gelagert werden? Singapur glaubt, für diese Klientel mit dem Freeport genau die richtige Antwort bereitzuhalten. Just jene Anlage in Rufweite des Flughafens, die nicht von ungefähr weltweit die größte ihrer Art ist. Wie stark der Andrang ist, zeigte sich vor zwei Jahren bereits kurz nach der Eröffnung. 98 Prozent der Lagerfläche für Goldbarren seien bereits ausgebucht, meldeten damals die stolzen Betreiber.

Eine Röntgenkontrolle für jedes Stück

Inzwischen wurde der Freeport um 2300 Quadratmeter erweitert. Die Betreiber wollen sich freilich nicht in die Karten schauen lassen und sagen nicht, wie viel Platz für Goldbarren vorgesehen ist. Sicher ist, dass sich die diskrete Lagerhalle nicht über Mangel an Kundeninteresse zu beklagen braucht. Schließlich lockert die Schweiz gerade ihre strengen Bankgesetze. Singapur dagegen garantiert weiterhin größte Diskretion.

Das scheint ein idealer Stoff für Kriminalromane und Verschwörungstheoretiker zu sein. Deshalb sei klargestellt: ein schwerreicher Kunde wird kaum auf die Idee kommen, beispielsweise eine ermordete Geliebte im perfekt temperierten Raum zu lagern. Jedes Stück, das in den Hallen und Tresoren hinterlegt wird, muss vorher durch die Röntgenkontrolle einer privaten Sicherheitsfirma. Sie wurde von Singapurs Behörden empfohlen, und es ist davon auszugehen, dass ein reger Informationsaustausch zwischen den Privatpolizisten und den Behörden besteht.