Wenn der Kirchenchor der evangelischen Petruskirche Gerlingen singt, dann gibt es meist einen besonderen Anlass: Ostern, Weihnachten – oder sein hundertjähriges Bestehen. Der Chor eint Beständigkeit und Wandel.

Die Pandemie ist für den evangelischen Kirchenchor unbestritten eine große Herausforderung gewesen. Menschen unterschiedlicher Ansichten müssen trotzdem zusammenfinden; Proben fallen aus, werden stattdessen in Kleingruppen draußen organisiert, doch da klingt die Stimme nicht wie im vertrauten Kirchenraum. In dieser Situation kam das Jubiläum aus Sicht der Chorleiterin nicht ungelegen.

 

Statt über den Aufwand zu sprechen, sagt die Kantorin Beate Zimmermann: „Das Jubiläum ist ein Glücksfall. Das Jubiläum zu gestalten, gibt uns einen Push.“ Die, die dabei sind, haben nach der langen Durststrecke nämlich ein Ziel, auf das sie hinarbeiten. Interessierte wiederum werden mit dem Konzert angesprochen und Chormitglieder, die vor oder mit Corona ausgestiegen sind, bekommen beim Zuhören vielleicht Lust, doch weiterzumachen. Denn klar ist auch: Die Ehemaligen sind nach wie vor Teil des Chorlebens, gerade im Jubiläumsjahr. Auch sie wurden entsprechend explizit zum Jubiläumskonzert eingeladen.

Eine feste Größe in der Stadt

Beate Zimmermann ist seit 1996 Kantorin der Petrusgemeinde, die inzwischen mit der Lukasgemeinde fusioniert hat. Sie hatte das Amt von Johanna Erbacher-Binder übernommen. Erbacher-Binder wiederum verantwortete den Chor seit 1961. Vielleicht ist es just diese Kontinuität, die den Chor über all die Jahrzehnte hinweg zu einer festen Größe im Ort, auch bei Festveranstaltungen der bürgerlichen Gemeinde, gemacht hat.

„Als ich angefangen habe vor 26 Jahren, sind einige Neue eingestiegen, Ältere und Jüngere“, sagt Zimmermann. Außerdem war just das neue Gesangbuch herausgekommen. Manches war also neu, beibehalten aber wurde die Tradition einer Andacht am Ende der Chorprobe. Sie habe das für ausgesprochen gut empfunden, sagt Zimmermann. Zumal damit die geistliche Haltung des Chors zum Ausdruck komme. Zimmermann spricht nicht von Religion oder Glaube, sondern, grundsätzlicher, von einer Haltung, die den Chor eine.

Anfänge gehen auf das Jahr 1921 zurück

Die Anfänge des Chors gehen auf den zweiten Advent des Jahres 1921 zurück. Die neue Orgel der Kirche wurde eingeweiht. Es sang der Pauluskirchenchor aus Stuttgart. So jedenfalls ist es in der Festschrift nachzulesen, die zum Jubiläum erschienen ist. Dass die Stuttgarter sangen, hatte die Gerlinger sicher gefreut. Gleichwohl wurde dabei die Notwendigkeit gesehen, einen eigenen Kirchenchor zu gründen, zumal das nächste bedeutende Ereignis mit der Weihe der neuen Glocken schon abzusehen war. 1922 folgte die Gründung, geleitet wurde er von Albert Dommer. Der Chor hieß „Glockenchor“.

Der Chor veränderte sich mit der Zeit, es wurden nicht nur Choräle für den Gottesdienst einstudiert, sondern auch Motetten. Es wurden nicht mehr so häufig Gottesdienste mitgestaltet. nicht mehr jedes Fest. Doch zu besonderen Jubiläen singt der Chor weiterhin auch für seine Mitglieder. Sie spüre das Interesse der Mitglieder, dass der Chor ihnen wichtig sei. Das tue auch ihr gut, sagt Zimmermann. „Ich glaube ich kann gar nicht hoch genug schätzen, dass es so eine Treue gibt.“ In besten Zeiten seien es 70 bis 75 Sänger gewesen. Jetzt, nach Corona waren es noch gut 40, rund 15 Männer und doppelt so viele Frauen. Im Schnitt sind sie um die 70 Jahre, das jüngste Mitglied ist 25.

So wie mancher Corona zum Anlass genommen hatte, aufzuhören, fanden in dieser Zeit auch zwei neue Sängerinnen den Weg in den Chor. Dieser sei groß, weiß Zimmermann. Das habe den Vorteil. „dass es nicht an einem einzelnen hängt, ob wir auftreten können“. Doch Corona brachte auch inhaltliche Veränderung. Die Pandemie verlangte andere Formen des Singens, in kleinen Gruppen, draußen. Nicht, dass dies eine neue Tradition begründen sollte, aber er eröffnete den Chormitgliedern neue Wege, sich stimmlich weiterzubilden.

Ein Geschenk für die Kirchenmusikdirektorin

Gleichermaßen geblieben ist die Vielfalt des Repertoires. „Ich achte auf die Ausgewogenheit“, sagt Zimmermann. Das beinhaltet eine Abwechslung zwischen bekannten klassischen und unbekannten vergleichsweise modernen Stücken. Die Offenheit auf beiden Seiten hatte es freilich schon vor Corona gegeben.

Sie hatte einst ein Werk von Hans Georg Bertram einstudieren lassen, dem 2013 verstorbenen deutschen Komponisten. „Schwierig vorzustellen“ sei es für den Chor gewesen, wie das Werk klingen würde. Letztlich hätten sie sich darauf eingelassen,, wohl auch, wie sie am Rande hörte, weil eben sie es vorgeschlagen hatte. Es würde also schon werden. Dieses Vertrauen und die Offenheit seien „wie ein Geschenk“, sagt die 62-jährige Kirchenmusikdirektorin.

Konzert Das Jubiläumskonzert „Verleih uns den Frieden gnädiglich“ findet am Sonntag, 2. Oktober, in der Petruskirche statt. Beginn ist um 17 Uhr. Auf dem Programm stehen Werke von Bach, Schütz und Mendelssohn Bartholdy.