Der Bayer Severin Freund wird zum Auftakt der Vierschanzentournee in Oberstdorf Dritter hinter den Siegern Jacobsen und Schlierenzauer.

Oberstdorf - Wirklich zufrieden ist Severin Freund mit seinem zweiten Sprung nicht gewesen. Kurz nach der Landung schüttelt er etwas den Kopf und wackelt mit den Händen. Als Dritter war der 24-Jährige in den zweiten Durchgang gegangen. Nun zweifelt er, ob dieser Platz noch zu halten ist. Doch dann brandet an der Oberstdorfer Schattenbergschanze riesiger Jubel auf: 24 500 Zuschauer machen Lärm wie während der Hochphase des deutschen Skispringens vor zehn Jahren. Auf der Anzeigetafel blinkt neben Freunds Name und der Weite von 135,5 Metern die Eins auf. Den dritten Rang wird er also mindestens halten.

 

Noch mehr Glücksgefühle kann er den Fans allerdings nicht bescheren. Die beiden Athleten, die nach ihm kommen, überflügeln ihn noch. Einer davon ist Gregor Schlierenzauer, der große Tourneefavorit. Doch der Österreicher siegt nicht. Denn die Überraschung des gestrigen Abends heißt Anders Jacobsen. Der Norweger gewinnt mit starken Sprüngen auf 138 und 139 Meter vor Schlierenzauer (134,5/138,5) und Freund (138,5/135,5).

Enormer Druck

„Das fühlt sich wie ein Märchen an“, sagt der 27-jährige Jacobsen, der während der vergangenen Saison wegen Motivationsproblemen pausiert hatte. Doch beim Auftakt der 61. Vierschanzentournee im Skispringen gibt es neben dem Tournee-Gewinner von 2007 mindestens noch einen zweiten Sieger: Severin Freund.

Auf dem Athleten aus Rastbüchl lastete vor dem Wettbewerb ein immenser Druck. Als einer der Favoriten wurde er gehandelt. Der Einzige sei er, der den Österreichern Paroli bieten könne. Immer wieder wurde ihm vorgehalten, dass vor zehn Jahren zum letzten Mal ein Deutscher ein Tourneespringen gewonnen hat (Sven Hannawald in Oberstdorf) – und dass vor fast vier Jahren zum letzten Mal ein Deutscher bei der Tournee auf dem Podest stand (Martin Schmitt als Dritter in Innsbruck).

Freund antwortete darauf immer auf die gleiche Art und Weise. Er werde sein Bestes geben, aber mit forschen Ankündigungen halte er sich zurück. Das ist ihm geglückt. Nach dem Wettkampf strahlt er zwar über das ganze Gesicht und sagt: „Einfach geil. Ich habe mein Mindestziel erreicht.“ Große Töne spuckt er jedoch weiterhin nicht: „Man muss die Tournee sich entwickeln lassen.“ Dabei hat Freund nun bewiesen, dass er dieses Mal ein ernsthafter Konkurrent für Schlierenzauer ist. Denn der Wettbewerb war geprägt von extrem schwierigen Bedingungen. Ständig wechselte der Wind vor allem am Schanzentisch.

Bei Österreich lief es nicht so gut

Dass Freund dennoch überzeugt hat, beeindruckt auch den österreichischen Cheftrainer Alexander Pointner: „Man muss ihm gratulieren. Er hat sehr cool agiert.“ Neben Freund zeigt das gesamte deutsche Team eine starke Leistung. Michael Neumayer wird Achter (136,5/134,5), Andreas Wellinger springt auf Platz zehn (131/127), Richard Freitag auf Rang 15 (126,5/129) und eine Position dahinter landet Martin Schmitt (125/130,5). Dass der 34-Jährige so auftrumpft, hatten ihm zuvor nur wenige zugetraut. „In den letzten Wochen ging es Schritt für Schritt aufwärts“, sagt er und ergänzt: „Garmisch-Partenkirchen wird nicht mein letzter Weltcup sein.“ Schmitt ist der fünftbeste Deutsche und hat nun sogar gute Chancen, zu den sechs DSV-Athleten zu zählen, die auch bei den Stationen in Österreich dabei sind.

Der Bundestrainer Werner Schuster ist nach diesem Auftakt mehr als zufrieden. „Die Jungs haben sich freigesprungen. Und diese vielen deutschen Fahnen machen einfach Freude.“ Deutlich weniger euphorisch fällt die Bilanz seines Kollegen Pointner aus. Zwar freut er sich über Schlierenzauers zweiten Platz („Er ist so nervenstark“), doch seine zwei weiteren Topathleten, Andreas Kofler und Thomas Morgenstern, haben bereits keine Chancen mehr auf einen Gesamtsieg. Morgenstern scheidet schon nach dem ersten Durchgang aus, und Kofler wird wegen seines zu weiten Anzuges disqualifiziert. „Das ist sehr bitter für uns“, sagt Pointner.

Vor der heutigen (13.45 Uhr/ARD) Qualifikation für das zweite Springen in Garmisch-Partenkirchen ist den Deutschen und Österreichern in den Norwegern nun ein starker Tourneegegner erwachsen. Jacobsen gibt für das Neujahrsspringen morgen (14 Uhr/ARD) bereits eine charmante Kampfansage ab: „Wir wollen die Party der Deutschen und Österreicher nicht ruinieren, wir machen einfach mit.“