Eine Band, so unbequem wie ein Shane-Meadows-Film: Die Sleaford Mods sind die neuen Arschlöcher im britischen Pop. Am Montag spielen sie in Esslingen. Ein Porträt.

Esslingen - Ohne Margaret Thatchers rigide Politik, ihren Kampf gegen die Gewerkschaften und den Falkland-Krieg wären der englischen Popwelt viele Perlen versagt geblieben. Unter den prägenden Köpfen der Zeit gab es einige linke Vordenker mit Wurzeln in der Arbeiterklasse. Morrissey holte schon mit The Smiths zum Rundumschlag vom zynischen Ausrufen des Todes der Königin („The Queen Is Dead“) bis zum Tagträumen der Hinrichtung der verhassten Premierministerin in Tyrannenmordstradition („Margaret on the Guillotine“) aus.

 

Derweil formierte der junge Protestsänger Billy Bragg 1987 mit dem Mod Paul Weller (der schon fünf Jahre zuvor in „Town Called Malice“ Missstände angeprangert hatte) und einigen anderen das Projekt „Red Wedge“, um die Labour Party im Wahlkampf zu unterstützen. Trotzdem gewannen die konservativen Tories die Wahl; Margaret Thatcher wurde erst 1990 von ihrem Parteikollegen John Major abgelöst.

Dass es von Red Wedge bis zum erhofften Umschwung und einem Labour-Premierminister zehn Jahre dauern sollte, hätte sich das Projekt um den mittlerweile als Modfather gefeierten Weller anders gewünscht. Und was macht der frisch gewählte Tony Blair? Posiert mit Granden des Britpops. Oasis-Chef Noel Gallagher wird in die Downing Street geladen. Die Bilder waren wirkungsvoll.

Geschichte wiederholt sich

Die von Blair enttäuschte Working Class sieht sich heute erneut einer konservativen Regierung gegenüber, doch der musikalische Protest hält sich diesmal in Grenzen. In diesen Zeiten braucht man Musiker wie die Sleaford Mods aus Grantham bei Notthingham. Das Duo, das ausgerechnet aus Thatchers Heimatstadt stammt, generiert sich proletarisch, schwingt die Flagge der Working Class und flucht sich zu stumpfen Riffs durch bitterböse Reime.

Die Sleaford Mods sind eine Band, so unbequem wie ein Shane-Meadows-Film und doch ein next big thing. Von den einstigen Mod-Wurzeln haben sich Jason Williamson und Andrew Fearn gelöst, die Szene sei zu retromanisch geworden. Schuld seien Leute wie Noel Gallagher, der die Working-Class-Ideale verkauft habe. „Noel Gallagher's got blood on his hands“, schließt der rappende Frontmann Williamson, der Jamie T und Mike Skinner wie brave Schuljungs aussehen lässt. Damit bringt er seine Wut auf den Punkt.

Zwar veröffentlichten die Sleaford Mods schon eine ganze Reihe an Platten, doch ist das jüngst erschienene „Divide and Exit“ fraglos das letzte noch fehlende Mosaiksteinchen. Auch wenn oder gerade weil die Musik weder besonders innovativ noch kommerziell, die Texte dazu hochgradig vulgär sind: Williamson und Fearn treffen die Schattenseite des Zeitgeists. Mit dem breiten Akzent der East Midlands beschwören sie das angeschlagene Selbstvertrauen der Arbeiterklasse, in Zeiten in denen jener Slang nur noch in „Armutspornografie-Dokumentationen“ im Fernsehen zu hören sei.

"Kotartige Wut"

Als „excremental anger“, als „kotartige Wut“, beschreibt das Magazin Wire die Energie und den Antrieb der Band, die aller Resignation zum Trotz doch noch Ideale zu haben scheint. Das Ziel aggressiver Gossen-Poesie war schon immer, auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen. Die gnadenlose Abrechnung mit der Politik von Premierminister David Cameron, der mit „Gary Oldman's Dracula“ verglichen wird, mit einer Jugendarbeitslosigkeit von über 20 Prozent, ist musikalischer Aufschrei und verbitterte Lethargie einer Gesellschaftsschicht, die sich aller Perspektiven beraubt sieht.

Dass das Duo dabei nur diagnostiziert und keine Lösungen aufzeigt, komplettiert das Bild einer Band, zu deren Ästhetik die Bierflasche, eine pöbelnde Grundhaltung immer dazugehört. Dass das Nottinghamer Projekt außerdem ein spannender Live-Act ist, pfeift es schon lange von den englischen Dächern. Noch vor der großen Medienaufmerksamkeit buchte das Esslinger Kulturzentrum Komma die Band.

Am kommenden Montag, 12. Mai, ab 20.30 Uhr kann man sich nun selbst ein Bild von den streitbaren Working Class Heroes machen. Im Vorprogramm tritt die Stuttgarter Band Die Säulen des Kosmos aus dem Umfeld der gefeierten Punk-Gruppe Human Abfall erstmals auf.