Vor 27 Jahren haben die im Stadtgebiet installierten „Four Part Piece“ von Sol LeWitt die Menschen in erbitterte Gegner und leidenschaftliche Anhänger dieser monumentalen Kunst im öffentlichen Raum gespalten. Eine Ausstellung erinnert daran.

Ostfildern - Zählt man alle weißen Sandsteinquader zusammen, aus denen seinerzeit die vier Skulpturen des international bekannten Künstlers Sol LeWitt gemauert wurden, dann sind es vor rund 27 Jahren einige Steine des Anstoßes gewesen, die die Gemüter in der Stadt Ostfildern bewegt haben. Groß war die Aufgeregtheit über die an vier Orten der Stadtgemarkung aufgestellten quadratischen Wandscheiben in der Größe von jeweils fünf mal fünf Metern – errichtet als Einzelstück, im Winkel, als U-Form und als geschlossener Kubus.

 

Die Installation „Four Part Piece“ sollte die aus mehreren Gemeinden zusammengefügte Stadt symbolisieren. Tatsächlich aber spaltete sie die Bürger in zwei Lager: in erbitterte Gegner und in leidenschaftliche Anhänger der modernen Kunst im öffentlichen Raum. Zurzeit thematisiert eine Ausstellung in der städtischen Galerie die damaligen Geschehnisse und das Werk des amerikanischen Künstlers.

Der heftige Streit füllte ganze Zeitungsseiten

Herbert Rösch erinnert sich noch gut an das Jahr 1992. Ganze Zeitungsseiten habe die „heftige Auseinandersetzung“ über die kalkweißen Wände gefüllt, erzählt der ehemalige Oberbürgermeister Ostfilderns, der maßgeblich daran beteiligt war, dass das Skulpturenensemble seinerzeit umgesetzt wurde und bis heute erhalten ist. Im Zuge der Stuttgarter Olympiabewerbung Anfang der 1990er-Jahre war die bis heute bestehende KulturRegion Stuttgart entstanden, zu der sich 17 Kommunen zusammengeschlossen hatten – darunter auch Ostfildern. So kam die Stadt in den Genuss, im Rahmen des Skulpturenprojekts „Platzverführung“ von einem der 17 internationalen Künstlern bespielt zu werden, welche die anerkannten Kunstkenner Rudi Fuchs und Veit Görner für das Vorhaben gewonnen hatten.

Die Organisatoren befanden, Sol LeWitts Kunst des Minimalismus passe gut zum Charakter der Stadt Ostfildern, die laut Herbert Rösch damals aus einer „Ansammlung von vier Dörfern mit viel Platz dazwischen“ bestand. Zweimal kam der Künstler, dessen Werke weltweit in nahezu allen großen Kunstmuseen vertreten sind, persönlich in der Stadt vorbei.

Der „sehr sympathische und beeindruckende Mann“, als den Herbert Rösch den 2007 verstorbenen Kunstvisionär kennen-gelernt hat, machte sich vor Ort ein Bild und entwarf für die Kommune zum Preis von 20 000 Mark ein Konzept. Damit war in der Landschaft aber noch lange nichts zu sehen, „denn für die Umsetzung mussten wir letztlich selbst sorgen“, erzählt Herbert Rösch – und auch für die Deckung der weiteren Kosten in Höhe von knapp 100 000 Mark. Aus Erfahrung war dem Rathauschef klar: „Damit brauche ich gar nicht erst in den Gemeinderat zu gehen.“ Es hätte sich nie und nimmer eine Mehrheit dafür gefunden, das Geld aus dem kommunalen Etat zur Verfügung zu stellen. Mithilfe von Sponsoren sowie Geld- und Sachspenden ist es ihm dennoch gelungen, „die markanten Wahrzeichen, von denen Ostfildern nicht viele hat“, zu realisieren.

„Über die hässlichsten Häuser regt sich keiner auf“

Freilich konnte er da noch nicht wissen, welch hohe Wellen das Projekt schlagen würde. Die Heftigkeit, mit welcher die Gegner das Projekt seinerzeit abgelehnt hätten, habe er nicht verstanden, sagt Herbert Rösch. „Man muss es nicht mögen, aber wenigstens tolerieren und schon gar nicht bekämpfen.“ Mitunter entstünden in der Stadt die „hässlichsten Häuser, und da regt sich keiner auf“.

Tatsache sei, dass andere Städte froh wären, sie besäßen ein überregional bedeutendes Kunstwerk eines so herausragenden internationalen Künstlers. Damit sich Ostfildern noch lange darüber freuen kann, müssen die „Four Part Piece“ jedoch vor dem Verfall gerettet werden. In den vergangenen 27 Jahren haben Wind und Wetter dem empfindlichen Kalksandstein zugesetzt. Eine Sanierung ist unumgänglich, will man die ortsprägenden Wände erhalten. Herbert Rösch schätzt die Kosten für die Säuberung, Ausbesserungsarbeiten, einen neuen Anstrich und die Versiegelung auf mehr als 100 000 Euro. Dafür, diese Summe zu investieren, „setze ich mich auch ein“. Er stellt sich vor, das Geld könne durch einen Mix aus Spenden und Steuergeldern aufgebracht werden.

Denn eines steht für den Kunstliebhaber Herbert Rösch unumstößlich fest: Es wäre „ein Jammer“, die Kalksteinwände von „Four Part Piece“ nicht zu erhalten. Wären sie nicht mehr, „würde das die Stadt ärmer machen“.