Die Bosch-Geschäftsführung glaubt, ein tragfähiges Konzept für sein verlustreiches Solargeschäft im thüringischen Arnstadt gefunden zu haben. Nun übernimmt der Solarworld-Chef Frank Asbeck – und träumt von neuer Größe.

Wolfgang Lemb, der erste Bevollmächtigte der IG Metall Erfurt, kennt die Gerüchte, die Frank Asbeck vorauseilen. Eine schillernde Figur soll der Gründer und Chef von Solarworld sein, ein Genussmensch. Am Dienstag hat er sich den Bosch-Beschäftigten in Arnstadt während einer Mitarbeiterversammlung vorgestellt. Wenige Stunden zuvor wurde bekannt, dass er die Zell- und Modulfertigung mit 800 Beschäftigten übernehmen will. Ein Teil der Forschung und Entwicklung soll nach Arnstadt verlagert werden. Diese neuen Aktivitäten will Asbeck in einer neuen Tochter bündeln, der Solarworld Industrie-Thüringen GmbH.

 

„Er hat den Mitarbeitern nicht die Welt versprochen, sondern die Lage ganz sachlich dargestellt“, erzählt Wolfgang Lemb über Asbecks Auftritt vor der Belegschaft. Jörg Hofmann, der zweite Vorsitzende der IG Metall und Aufsichtsratsmitglied von Bosch, kommentiert die Entscheidung so: „Dass hier ein Investor gefunden wurde, ist auch ein Signal, dass die Fotovoltaik weiterhin ein interessantes Geschäftsfeld ist.“

Der Betriebsrat vor Ort ist noch skeptisch

In Arnstadt reagieren die Mitarbeiter auf die Botschaft teils erleichtert, teils fragen sie kritisch nach. Skeptisch ist der Betriebsrat vor Ort. Er „mahnt zur Vorsicht“ – mit diesen Worten haben die Arbeitnehmervertreter ihre Mitteilung zum Einstieg von Solarworld überschrieben. Der Betriebsratschef Andy Poplawski fühlt sich noch nicht ausreichend informiert, um „seriös“ die Zukunftsperspektive der rund 800 Mitarbeiter zu beurteilen, die zu Solarworld wechseln sollen. Er vermisst Informationen zum Geschäftskonzept von Solarworld für den Standort, er will wissen, welche Regelungen zur Absicherung der Beschäftigten getroffen wurden, sollte Solarworld Insolvenz anmelden. Und er will wissen welche Garantien Bosch den Beschäftigten gibt, sollte Solarworld seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen. Poplawski fordert die Stuttgarter auf, „ein Bosch-Neugeschäft für mindestens 600 Beschäftigte“ in Arnstadt zu realisieren. Bosch hat angekündigt, durch Verlagerungen von der Produktion aus Ungarn 250 Stellen in Arnstadt zu sichern.

Acht Monate hat Bosch nach einer Lösung gesucht

Der Ausstieg aus dem Solargeschäft ist Bosch nicht leicht gefallen. Acht Monate hat der Konzern nach einer Lösung für seine verlustreichen Aktivitäten gesucht. „Für die Mitarbeiter waren die vergangenen Monate keine einfache Zeit“, sagte Volkmar Denner am Dienstag. „Mit der heutigen Vertragsunterzeichnung haben wir einen wichtigen Meilenstein erreicht.“

In Solarworld wurde ein Erwerber mit einem „tragfähigen Konzept“ gefunden, sagt der Bosch-Chef. Dies hätten unabhängige Wirtschaftsprüfer bestätigt. Solarworld kaufe nur die „Filetstücke“, Bereiche, die schon immer „relativ kompetitiv“ gewesen seien, so Stefan Hartung, der Aufsichtsratschef von Bosch Solar und in der Bosch-Geschäftsführung zuständig für Energie- und Gebäudetechnik. Auch Frank Asbeck ist zuversichtlich: „Wir meinen, dass das Werk von Anfang an zu Erträgen der Solarworld beitragen wird.“

Solarworld will zu den Großen aufschließen

Der Bonner Pionier wird nach der Übernahme zu den Großen der Welt aufschließen. Mit einer Kapazität von mehr als einem Gigawatt bei Solarzellen und -modulen sieht sich Asbeck selbst auf Rang acht der Weltrangliste der größten Solarfirmen.

Bei so viel Zuversicht wird leicht übersehen, wie groß die Probleme der Branche sind. Kaum ein Unternehmen erzielt Gewinne, auch Solarworld nicht. Zwar konnte der rasante Preisverfall von 67 Prozent innerhalb der vergangenen sieben Jahre gestoppt werden, dafür ist das Geschäft in Europa eingebrochen. Allein im wichtigen deutschen Markt sackte die Nachfrage seit Jahresanfang um 57 Prozent. Die Diskussionen um die Förderung erneuerbarer Energien sowie die Debatte um Strafzölle auf chinesische Produkte haben Investoren verunsichert. Dagegen boomt das Geschäft in China, den USA und in neuen Märkten wie Türkei und Russland. Doch diese Märkte müssen die Bonner, die die Hälfte ihres Umsatz in Deutschland erzielen, erst noch ausbauen.