Joseph Kony rekrutiert in Uganda Kindersoldaten. Im Internet versucht eine Hilfsorganisation nun so viel Druck aufzubauen, dass der Rebellenchef vor Gericht kommt.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Kampala - Jason Russel hat etwas nahezu Unglaubliches geschafft. Sein Film ist gerade dabei, Zuschauerrekorde zu brechen. Weit mehr als 40 Millionen Mal ist das Werk in den letzten drei Tagen im Internet geklickt worden – Stand Donnerstag 16 Uhr. 300 000 Menschen haben das Stück auf der Videoplattform Vimeo gesehen, und zwar allein am Donnerstag zwischen 11 und 13 Uhr.

 

Es ist keine leichte Kost, die Jason Russel serviert. Es geht um Joseph Kony, der in Afrika Kinder zu Soldaten macht (siehe: „Suche nach einem Phantom“). Ihn vor Gericht zu bringen ist das Ziel von Russel und seinem Verein Invisible Children. Dafür nutzen sie die sozialen Medien im Internet mit hoher Professionalität. Konys Treiben im ugandischen Busch wird Thema von Kapstadt bis Kopenhagen, von San Francisco bis Seoul. Das soll den Druck auf die Regierungen der Welt erhöhen, die Augen nicht zu verschließen. Gemeinsam packen wir das, lautet die Botschaft. Die wird getwittert, gepostet und verlinkt.

Wer mitmacht, gehört zu den Guten

Russel ist es gelungen, diese Gemeinsamkeit in den Mittelpunkt seines halbstündigen Films zu rücken. Er doziert nicht, er trifft Gefühle. Und er sendet immer wieder die Botschaft, Teil einer großen Gemeinschaft der Guten zu sein, mit wenig Aufwand viel erreichen zu können, wenn man denn nur der Aktion „Kony 2012“ beitrete, ganz einfach, per Mausklick. Machen wir ihn so sichtbar, diesen Dämon, lautet die Ansage, das vertreibt ihn aus seinem Versteck und bringt ihn vor Gericht – und alles wird gut.

Wenn es doch so einfach wäre. Per Haftbefehl gesucht wird Joseph Kony schon seit vielen Jahren. 2004 hat der Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag Ermittlungen gegen ihn eingeleitet. Doch selbst wenn es gelingen sollte, Kony zu fassen, so wäre das noch keine Garantie für eine Verurteilung. Das zeigt nicht nur der Fall von Thomas Lubanga. Im Januar 2009 begann in Den Hag der erste Prozess überhaupt vor dem Internationalen Strafgerichtshof – gegen den kongolesischen Rebellenführer, dessen Liste an Grausamkeiten in etwa dem von Joseph Kony entspricht. Bis heute ist Lubanga nicht verurteilt.

Der Kongo kommt in einen Stuttgarter Gerichtssaal

So einfach es sein mag, die grausamen Taten der Dschungelfürsten in Bildbotschaften zu fassen, so schwer ist es, die Vorwürfe derart abzusichern, dass sie vor Gerichten als Beweismittel taugen. Das Kind, das im Film den Tod des Bruders beklagt, mag herzzerreißend wirken. Ein brauchbarer Zeuge ist es damit nicht unbedingt.

Das zeigt sich nicht nur in Den Haag, wo Lubanga aufgrund von Verfahrensfehlern sogar mit einer Freilassung rechnen kann. Das zeigt sich auch in Stuttgart. Seit zehn Monaten wird hier vor dem Oberlandesgericht gegen Ignace Murwanashyaka verhandelt, der von Mannheim aus Rebellentruppen im Grenzgebiet zwischen der Demokratischen Republik Kongo, Uganda und Ruanda befehligt haben soll. Das deutsche Prozessrecht ist kaum für Verhandlungen dieser Art geeignet.

Ob Jason Russel und sein Verein geeignet sind, mit all den Spendengeldern umzugehen, die einsammelt werden, wird immer wieder diskutiert. Neun Millionen Dollar waren das im vergangenen Jahr. Mit dem Erfolg der aktuellen Kampagne dürfte es auch hier einen deutlichen Anstieg geben. Aktuell werden unter anderem T-Shirts für 25 Dollar oder kleine Armbänder für zehn Dollar angeboten. Gespendet werden kann per Mausklick natürlich auch.