Die Bardenas Reales sind eine unbekannte Wüste. Hier wachsen bizarre Erdformationen - und Rebstöcke.

Navarra - Die Erde scheint zu glühen. Es ist heiß. Es ist sogar verdammt heiß. Brutal heiß. Und es ist trocken. Verdammt trocken. Staubtrocken. Bei solchen Witterungsbedingungen sollte man trinken, viel trinken, wird immer empfohlen. Am besten Wasser. Wein wäre auch viel zu schade, um als schnöder Durstlöscher herzuhalten. Erst recht wenn er aus der Wüste kommt. Wie die feinen Tropfen aus den Bardenas Reales. Wein aus der Wüste? Keine Fata Morgana. Die Bardenas Reales sind eine trocken-heiße Wüste in der spanischen Provinz Navarra. Bizarre Fels- und Erdformationen, geformt von Wind und Regen, türmen sich auf, überdecken den Boden, so weit das Auge reicht. Eine Szenerie wie in einem Westernfilm. Man fühlt sich nach Arizona versetzt. Von den Einheimischen werden die Bardenas auch 'Klein-Colorado' genannt. Ein ideales Refugium für Geier und Adler. Für Menschen dagegen eher ein suboptimales Terrain. Keine Sterbensseele hält es dort ganzjährig aus, die Bardenas Reales sind von Menschen unbewohnt.

 

Überreste verlassener Höfe zeugen von den erfolglosen Versuchen, das Leben zu meistern. Im Sommer kratzt das Thermometer in der Regel wochenlang an der 40-Grad-Marke. Andalusische Temperaturen im Norden Spaniens - tagsüber im Freien kaum zu ertragen. Es sei denn, man ist einigermaßen hitzeresistent und verfügt über eine gehörige Portion Idealismus. Wie Fernando Barrena. Der junge Winzer trotzt den Bedingungen. Am nördlichen Rand der Wüste baut er seinen Wein an. Die Pflanzen fragen nicht nach dem Wetterbericht. Sie wollen gepflegt werden, egal, was die Quecksilbersäule anzeigt. Trotz der widrigen Bedingungen: Die Rebstöcke gedeihen hier prächtig, sie haben sich akklimatisiert. Der Großvater von Fernando Barrena pflanzte den Wein vor über einem Vierteljahrhundert, südlich der Ortschaft Carcastillo. Nichts ahnend, dass sein Enkel daraus einmal prämierte Weine gewinnen würde. 'Für meinen Opa war das mehr ein Hobby', erzählt Barrena, 'die Leute im Dorf haben ihn allerdings für verrückt erklärt.'

 Eine Rarität ist ein Cabernet Sauvignon namens Desierto

Die Sturheit seines Großvaters und manch schweißtreibender Einsatz haben sich gelohnt. Auf dem Boden des Weingartens gedeihen Cabernet Sauvignon und Merlot, Tempranillo und Shiraz. Mineralien ziehen die Wurzeln aus Gesteinsbrocken, die 20 Zentimeter unter der Krume lagern. Trotz der Trockenheit, der Hitze und einer unermüdlichen Brise aus den nahen Pyrenäenausläufern stehen die Reben in voller Pracht. Und obwohl die chemische Keule nicht zum Einsatz kommt. 'Pilze oder Insekten haben bei diesen Bedingungen sowieso keine Chance', sagt Fernando Barrena. Dennoch laufen die Weine nicht unter dem Öko-Etikett. 'Es reicht, wenn ein paar Kilometer weiter ein Bauer Chemie einsetzt und der Wind Spuren davon herüberweht', sagt Barrena. Schon erfülle der Wein nicht mehr die Kriterien für ein ökologisches Erzeugnis. In Carcastillo besitzt Barrena mit zwei Partnern seit kurzem einen eigenen Weinkeller samt Weinhandlung: Die Bodega Azul y Garanza (Blau und Karminrot). Der Name soll an die Farbenspiele der Wüste erinnern. Im Keller reifen die kostbaren Tropfen. Sie tragen Bezeichnungen wie Rosa, Fiesta oder Seis. Letzterer wurde schon als einer der drei besten Weine aus Navarra ausgezeichnet.

Eine Rarität ist ein Cabernet Sauvignon namens Desierto (deutsch: Wüste). Pro Jahr kommen nur 2000 bis 3000 Flaschen des schweren, charaktervollen Tropfens auf den Markt. Die Trauben werden von Hand geerntet und verlesen. Wenn Fernando Barrena, seine beiden Geschäftspartner und einige Helfer im Weinberg arbeiten, blicken sie auf den azurblauen Himmel, das endlose Hellbraun der Lehmböden und das Karminrot der Felsen. Nach getaner Arbeit suchen sie Schutz im Schatten. Antonio, der Vater von Fernando, hat dafür ein paar Latten und Bretter zusammengenagelt und mit einer Plane überspannt. Dann gibt es Schinken und Käse, und wenn die Fiesta länger dauert, wird auch mal ein Feuer entfacht. Ein bisschen Nomadenatmosphäre in Nordspanien. In der Ferne ziehen tagsüber Schäfer mit ihren Herden umher, auf der Suche nach dürreresistenten Kräutern. Stets begleitet von der sengenden Sonne. Nach Feierabend verlassen sie die Bardenas und kehren in die umliegenden Dörfer zurück. Genau wie die wenigen Touristen.

Die Bardenas Reales sind noch weitgehend unbekannt. Selbst in Spanien. Immerhin, im vergangenen Jahr wurden knapp 100 000 Gäste gezählt. Für ein Biosphärenreservat von 415 Quadratkilometern aber eine ausbaufähige Zahl. Vor fünf Jahren waren es nur 15 000 Besucher. Der Anstieg ist dem Bau eines neuen Besucherzentrums zu verdanken. Dort kann man sich organisierten Führungen anschließen. Fast alle beginnen oder enden am Castilditierra, einem außergewöhnlichen Naturdenkmal von rund 30 Meter Höhe. Wie eine Säule ragt seine Spitze empor. Wer es sehen möchte, hat noch ein paar Jahre Zeit. Aber in 30 Jahren, so schätzen Experten, wird der tollkühne Lehmberg vom Wind und Regen vollkommen abgetragen sein. Dann, so hofft Fernando Barrena, werden seine Weine auch außerhalb von Navarra anspruchsvolle Gaumen benetzen.

Infos zu Navarra

Anreise
Zum Beispiel mit Germanwings, www.germanwings.com , Lufthansa, www.lufthansa.com , oder Iberia, www.iberia.com , von mehreren deutschen Flughäfen nach Bilbao oder Zaragoza. Von dort weiter mit dem Zug oder Mietwagen.

Azul y Garanza
Weinkeller und Bodega: San Juan 19, 31310 Carcastillo, Spanien. Verkostungen zu den üblichen Ladenöffnungszeiten, www.azulygaranza.com

Unterkunft
Wohnen in richtigen Höhlen: Am Rande der Bardenas Reales befinden sich die Felsen-Apartments der Cuevas de Valtierra, ab 25 Euro pro Person, www.cuevasdevaltierra.com

Essen und Trinken
Geniales Grünzeug in Tudela: Feinschmecker pilgern in den Gourmettempel von Ricardo Gil, einem Gemüseverrückten. Vegetarische Feinschmeckermenüs aus regionalen Produkten, Sitzplatzreservierung dringend geboten, www.restaurante33.com

Allgemeine Informationen
Infos unter www.turismo.navarra.es