Es ist ein Symbol grüner Verkehrspolitik: die sommerliche Sperrung der Hofener Straße für Autos an Wochenenden. Doch die Mehrheit im Stuttgarter Gemeinderat für die Sperrung bröckelt.

Stuttgart - Eigentlich gibt es im Stuttgarter Rathaus auch nach der Kommunalwahl 2014 eine – wenn auch knappe – ökosoziale Mehrheit. Eigentlich. Doch die sozialdemokratische Fraktion ist dabei, bei einem rot-rot-grünen Symbolprojekt von der Fahne zu gehen: Es geht um die sommerliche Wochenendsperrung der Hofener Straße. Fraktionschef Martin Körner plädiert nun für einen Kompromiss vom Kompromiss. Das stößt bei den Grünen auf Unverständnis. Die SÖS-Linke-Plus wiederum, die die Sperrung bisher mitgetragen hat, meldet sich nun mit einem eigenen Vorstoß zu Wort – von der mathematischen Mehrheit ist nichts mehr übrig geblieben. Dabei hatte man noch vor wenigen Monaten ein Strategietreffen geplant, um über künftige gemeinsame kommunalpolitische Projekte zu sprechen.

 

Wie berichtet, hatte der Gemeinderat ursprünglich gegen den erbitterten Widerstand vor allem der CDU mit besagter ökosozialer Mehrheit beschlossen, die Straße entlang des Neckars an Wochenenden zwischen Mai und Oktober für Autofahrer zu sperren, um nicht motorisierten Verkehrsteilnehmern in den Sommermonaten ein Refugium zu bieten. Die Sperrung passte gut ins Konzept von OB Fritz Kuhn (Grüne), der die Situation für Fußgänger und Radfahrer in Stuttgart erklärtermaßen verbessern will.

Körners Vorgängerin war Vorkämpferin der Sperrung

Der Aufschrei insbesondere im Stadtbezirk Münster war groß: Die Anlieger befürchteten mehr Verkehr und mehr Lärm auf der am anderen Flussufer verlaufenden Neckartalstraße. Die Rats-CDU machte sich flugs zum Wortführer des Protests, um daraus politisches Kapital zu schlagen: Die Christdemokraten sprachen gar vom „Radwege-Irrsinn“, auch die Freien Wähler wetterten gegen das „sinnlose und teure“ Experiment. Insbesondere Körners Amtsvorgängerin Roswitha Blind dagegen hatte vehement für die Sperrung plädiert, bezeichnete sie wiederholt als „gute Lösung“ – und als „einzige“.

Der neue Fraktionschef wiederum zeigt sich bei dem Thema ausgesprochen flexibel. Obwohl bei der zweiten Auflage des befristeten Verkehrsversuchs die Sperrung samstagnachts ausgesetzt wurde, um die Lärmbelastung an der Neckartalstraße zu verringern, zeigt Körner nun Sympathie für die Idee, die Hofener Straße nur noch an Sonn- und Feiertagen für Autos zu sperren. „Wir nehmen ernst, dass es ein Versuch war und noch kein Beschluss. Und wir nehmen auch das ablehnende Votum der Bezirksbeiräte in Münster und Mühlhausen ernst“, so Körner. Er halte den bei einer gemeinsamen Sitzung der Bezirksbeiräte gemachten Vorschlag für „überlegenswert“.

Samstags werde die Hofener Straße schließlich von Autofahrern auch zum Einkaufen genutzt, sonntags dagegen nicht, begründet der Fraktionschef seine Volte. Und es sei ja „nicht verboten, den gesunden Menschenverstand einzuschalten“. Den Vorwurf des Populismus weist Körner zurück – im Gegenteil. „Das ist Kommunalpolitik, wie sie sein sollte“, so der SPD-Spitzenmann, der seine Fraktion – wie etwa beim Thema Filderbahnhof – gern als Problemlöser inszeniert.

SPD-Fraktion ist uneins, die Grünen sind entsetzt

Freilich sind nicht alle Genossen begeistert über Körners Rolle rückwärts, etwa die langjährige SPD-Stadträtin Marita Gröger. „Ich bin enttäuscht – das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit“, sagt sie auf StZ-Anfrage. Sie habe für ihre abweichende Haltung durchaus Mitstreiter in der Fraktion, „aber eben keine Mehrheit“.

Geradezu entsetzt zeigen sich die Grünen. „Damit gibt die SPD ihre bisherige verlässliche Verkehrspolitik auf und gibt den konservativen Kräften der CDU nach“, kommentiert Grünen-Sprecher Peter Pätzold. Er spricht von „Wohlfühl- statt Sachpolitik“, die die SPD betreibe, und fügt ironisch hinzu: „Gut, dass der autofreie Marktplatz in Bad Cannstatt noch mit der alten SPD-Fraktion zustande kam.“

Für die SÖS-Linke-Plus erklärt deren Sprecher Tom Adler, einer der vorgebrachten Einwände gegen die Sperrung der Hofener Straße sei die unzumutbare Belastung der Anwohner der Neckartalstraße durch den Verkehr. Diese Belastung müsse dringend reduziert werden, und zwar durch ein Tempolimit auf der Neckartalstraße von 30 Stundenkilometern. „Das ist allemal besser als populistische Scheinlösungen wie die Sperrung der Hofener Straße nur an Sonn- und Feiertagen“, so Adler.

Angesichts der Uneinigkeit im ökosozialen Lager reiben sich die Gegner der Straßensperrung die Hände: „Dass die SPD über den von den Freien Wählern ins Spiel gebrachten Kompromissvorschlag ergebnisoffen diskutieren will, freut uns“, so deren Fraktionschef Jürgen Zeeb. Am 24. Februar soll der Technikausschuss über das weitere Vorgehen entscheiden. Marita Gröger, die lange Zeit die SPD im Ausschuss mit repräsentierte, ist jetzt nur noch stellvertretendes Mitglied – und deshalb nicht stimmberechtigt.