An der Spitze großer Unternehmen sind Frauen die Ausnahme. Bei den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) und der Agentur für Arbeit kommen zum ersten Mal mehr Frauen als Männer an die Spitze.

Stuttgart - Seit wenigen Tagen hat die Stuttgarter Arbeitsagentur in der Nordbahnhofstraße eine weibliche Doppelspitze. Mit Petra Cravaack und Christine Käferle sind jetzt zwei von drei Geschäftsführern Frauen. Auch bei der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) wird sich das Geschlechterverhältnis in der obersten Leitung schon bald wandeln. Standen bisher traditionell drei Männer an der Spitze der Verkehrsbetriebe, wird bald nur noch ein Mann als Technischer Vorstand bleiben. Hinzu kommen mit Stefanie Haaks und Sabine Groner-Weber zwei Frauen, die sich um den kaufmännischen Bereich und das Personal kümmern werden. Der verbleibende SSB-Vorstand Wolfgang Arnold wird auf die ungewohnte Konstellation von allen Seiten angesprochen und stellt fest: „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Entscheidend ist für mich, dass die Qualifikation der beiden ausschlaggebend war und nicht die Quote.“

 

Damit spielt Arnold auf die politische Diskussion der vergangenen Monate an, an deren Ende eine Frauenquote von 30 Prozent steht, die von 2016 an allerdings nur für wenige große Unternehmen gilt. Die Professorin Barbara Burkhardt-Reich vom Steinbeis-Zentrum Unternehmensentwicklung an der Hochschule Pforzheim hält die Debatte dennoch für wichtig, auch wenn nur wenige Unternehmen zum Handeln verpflichtet werden: „Es hat eine Sensibilisierung in den Führungsetagen stattgefunden. Frauenförderung wird zunehmend unter dem Gesichtspunkt der Fachkräftegewinnung gesehen, das ist gut.“

Die konkreten Zahlen sind ernüchternd

Die Sensibilisierung ist aber nur die eine Seite, Barbara Burkhardt-Reich kennt auch die andere, die empirische. Im März 2013 hat sie mit Kolleginnen der Hochschule Pforzheim eine Studie vorgelegt, deren Ergebnisse ernüchternd sind. 3117 Unternehmen in Baden-Württemberg wurden befragt, 404 haben geantwortet. Heraus kam, dass knapp 63 Prozent keine Frauen in der ersten Führungsebene vorweisen konnten. „Würde man die Befragung heute wiederholen, dürfte der Anteil der Frauen in Führungspositionen nicht wesentlich höher liegen“, vermutet Burkhardt-Reich.

Das Statistische Landesamt kam 2012 zum Ergebnis, dass Frauen zwar verstärkt in Führungspositionen aufrücken, der Anteil mit 23 Prozent allerdings noch immer gering sei. Prozentual am stärksten vertreten sind Frauen in Chefetagen der öffentlichen Verwaltung, zu der auch die Arbeitsagentur und die SSB als städtische Tochter zählen. Neuere Zahlen des Landesamtes gibt es nicht, dafür aber eine Einschätzung von Birgit Buschmann, die das Referat Wirtschaft und Gleichstellung im baden-württembergischen Wirtschaftsministerium leitet: „Mit 23 Prozent Frauen in Führungspositionen liegt Baden-Württemberg unter dem Bundesdurchschnitt und unter dem EU-Schnitt. Da besteht enormer Nachholbedarf.“