Sieben Stunden lang belauerten sich die Unterhändler der Koalition während ihres Gipfels. Vor allem die Kleinen in der Regierung kamen groß raus. So als ging es Kanzlerin Merkel darum, Süßes zu verteilen, auf dass das Geplärre endlich aufhöre.

Berlin - Putzmunter und bester Dinge präsentiert sich FDP-Chef Philipp Rösler am Morgen nach einer langen Nacht den Journalisten. Sieger brauchen keinen Schlaf und Rösler gibt sich keine Mühe zu verbergen, dass er sich als Gewinner des Koalitionsausschusses fühlt. Er weiß, er hat mit den Beschlüssen in der eigenen Partei Zeit gewonnen. Praxisgebühr weg, beitragsfinanzierte Zuschussrente verhindert, das Betreuungsgeld der CSU aufgepeppt. Das alles lässt sich aus Sicht der FDP sehen. Zumal über allem die Überschrift zu lesen ist: Haushaltsdisziplin. Der Sparwille wird zwar verpackt in dem kryptischen Versprechen, das strukturelle Defizit 2014 auf Null zu senken, was allein schon wieder Spielräume für Tricksereien eröffnet. Aber am Tag nach so einem Gipfel der Großen geht es selten ums Kleingedruckte.

 

Das aber sollte sich Rösler dann doch noch einmal bei Gelegenheit genau ansehen, denn bei der Union hausen Strategen, die ihr Feld bestellen können, fintenreicher, als sich dies der junge Herr Rösler womöglich vorstellen kann. Die wissen, dass ein Spiel mit ein paar Grundsatzbeschlüssen noch lange nicht gewonnen ist. Da ist zum einen Finanzminister Wolfgang Schäuble, der während des Koalitionsausschusses beim G-20-Finanzministertreffen in Mexiko weilte und der seinen Sprecher nach der Runde ausrichten lässt, man müsse sich die Details erst einmal anschauen. Da ist zum anderen Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, deren Umfeld nach dem Beschluss zur Bekämpfung der Altersarmut mit höheren Beträgen spielt, als der FDP das recht sein kann.

Die CSU schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe

Aber davon will sich Rösler die Laune nicht verderben lassen. Auch die CSU darf zufrieden sein. Die Bayern scheinen eine Tradition begründen zu wollen, indem sie schlankweg eine Milliarde Euro pro Koalitionsgipfel zusätzlich für Verkehrsinfrastruktur verlangt. Vor acht Monaten hat die CSU das erstmals getan und dafür auch den Zuschlag erhalten. Diesmal sprangen immerhin 750 Millionen Euro raus. Dazu setzte die CSU endlich das Betreuungsgeld durch, wenn auch erst ab August 2013. Vor allem die Kleinen in der Regierung kamen also groß raus. So als ging es Kanzlerin Angela Merkel darum, Süßes zu verteilen, auf dass das Geplärre endlich aufhöre.

Merkel hatte kein Interesse daran, die FDP weiter zu schwächen und damit die Koalition ins Schwanken zu bringen. Und auch die CSU sollte bedient werden, weil ja in Bayern die Landtagswahlen nahen. Aber obwohl das vorher Erwartbare am Ende auch beschlossen wurde, haben sich die Koalitionäre sieben Stunden lang belauert. Mal verhandelten die Parteichefs in großer Runde mit Generalsekretären, Fraktionschefs und allerhand anderem Personal, mal blieben Merkel, Rösler und CSU-Chef Horst Seehofer unter sich, mal gab’s Rumpsteak (medium), Pommes, Salat, später noch eine kleine Käseplatte. Zwischen den Gesprächsrunden zogen sich die Verhandlungsgruppen von Union und FDP in ihre jeweilige Ecke zurück, als sei das Ziel nicht etwa, gemeinsam die Zukunft zu gestalten, sondern bis zur Bundestagswahl einen Waffenstillstand zu schmieden.

„Wir haben eben gründlich gearbeitet“

Man habe eben gründlich gearbeitet, lautet die offizielle Version dafür, dass erst um zwei Uhr morgens die Generalsekretäre wenig Überraschendes präsentiert wurde. Inoffiziell heißt es bei der FDP, die Union habe sich beim Thema Sparen doch recht schwer getan. Außerdem wollten CDU und CSU zunächst partout nicht auf die Praxisgebühr verzichten. Vor allem CDU-Fraktionschef Volker Kauder und die CSU-Landesgruppenchefin im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, hatten stattdessen auf eine Senkung der Kassenbeiträge gedrängt. Sie hatten dabei wohl darauf gehofft, dass FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hinter Rösler steht – nicht etwa um ihn zu stützen, sondern um ihn in die nächste Niederlage zu stoßen. Anders als Rösler hatte Brüderle nämlich eine Beitragssenkung in Betracht gezogen. Aber schon im Vorgespräch der FDP-Delegation hatte Rösler klar gestellt, dass die Praxisgebühr jener Skalp ist, auf den er keinesfalls verzichten will. Brüderle wich danach von Röslers Vorgabe trotz des Drängens der Union nicht ab. Vielleicht ja auch deshalb, weil Brüderle nicht zu früh Parteichef werden will. Der Tag nach einer womöglich für die FDP verlorenen Niedersachsen-Wahl ist für ihn früh genug.