Stefan Wolf soll neuer Chef von Südwestmetall werden. In den Tarifrunden will der hauptberufliche Chef des Automobilzulieferers Elring-Klinger einiges verändern. Vor allem legt er Wert auf ein höheres Maß an Flexibilität.

Stuttgart - Stefan Wolf liebt die hohe Taktzahl. Deswegen ist er auch in die Wirtschaft gegangen statt in die Politik – obwohl er in der CDU die Gelegenheit dazu gehabt hätte. Lange Debatten mit Parteifreunden sind seine Sache nicht. „Ich kann manchmal auch ein bisschen ruhiger sein“, sagt er zwar. Doch dies zu glauben fällt schwer, wenn der 51-Jährige während eines fünfminütigen Zwiegesprächs diverse Anrufe auf dem Handy entgegennimmt und nebenher in Sekundenschnelle ein Dessert löffelt, bevor er zum nächsten Termin eilt.

 

Morgen soll Wolf an der Spitze des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall den Heidelberger Rainer Dulger ablösen, der gerade zum Gesamtmetall-Präsidenten aufgestiegen ist. So werden künftig noch mehr Menschen sein Tempo mitgehen müssen. Hauptberuflich ist Wolf der Vorstandschef des Automobilzulieferers Elring-Klinger. In Dettingen/Erms am Fuße der Alb ist alles auf Effektivität ausgerichtet: In seinem Betrieb werde eine gewisse Zeit lang diskutiert, dann aber auch entschieden, sagt er. Dieser neue Stil soll auch für sein künftiges Amt gelten: „Es gibt Dinge, die man auch beim Verband schneller machen kann“, sagt er forsch.

Trotz Familienfremde kein Bruch mit Traditionen

In gleicher Weise möchte er die Gewerkschaft herausfordern, wenn sie nicht von ihren gewohnten Wegen in den Tarifrunden abweichen will. „Es gibt gewisse Rituale“, sagt Wolf. „Die sind auch ganz nett.“ Dennoch müsse man überlegen, wie sich die Verhandlungen beschleunigen lassen. So müssten die Arbeitgeber auch „proaktiv“ handeln, nicht nur reagieren. Er wolle Vorschläge machen, wie man schneller vorankommen könne. Dann werde es darauf ankommen, wie sich der Tarifpartner dazu stelle. Dass die IG Metall ihm begeistert dabei folgt – so viel lässt sich leicht vorhersagen – ist zu bezweifeln. Vielmehr wird sie seinen Vorwärtsdrang gehörig bremsen.

Seine Vorgänger waren fast durchweg Familienunternehmer – prägende Figuren für die Wirtschaft Baden-Württembergs. Dass nun ein familienfremder Vorstandsvorsitzender das Ruder übernehmen soll, hält Wolf nicht für einen Bruch der Verbandstradition. Elring-Klinger sei zwar ein börsennotiertes Unternehmen, aber dennoch sehr mittelständig geprägt. Zudem hielten die Firmengründer noch 52 Prozent der Anteile. Vom Gefühl her führe er somit einen Familienbetrieb, dem er immerhin schon seit 16 Jahren angehört.

Der Neue fordert Flexibilität

Das ertragreiche Unternehmen könnte sich stattliche Lohnerhöhungen leisten, doch Derartiges auszuhandeln hat der neue Verhandlungsführer nicht im Sinn. So eine Folgerung wäre unlogisch, sagt Wolf, weil die Anteilseigner von Elring-Klinger eine gute Verzinsung ihres Kapitals erwarteten. „Alles und jedes wird hier hinterfragt, ob man es besser machen kann“, schildert er. Flexibilität sei ganz entscheidend für die Zukunft. Bei Südwestmetall sei zwar erst einmal Kontinuität angesagt, weil seine Vorgänger im Streben nach individuellen betrieblichen Lösungen den richtigen Weg eingeschlagen hätten. „Wir schreiben das weiter“, sagt Wolf, um sogleich wieder sein Credo anzufügen: „Es muss aber erlaubt sein, alles zu hinterfragen.“

Mehr Flexibilität wünscht er sich beispielsweise für die Arbeitszeiten in der Metall- und Elektroindustrie. Neulich hat der designierte Verbandschef den Eindruck erweckt, als wolle er die 35-Stunden-Woche aufgeben. Offensiv lobte er die Bedingungen in der Schweiz mit einer Wochenarbeitszeit von 42 Stunden und 22 bezahlten Urlaubstagen. Diesen Verdacht gilt es nun rasch wieder einzufangen, bevor die IG Metall auf die Barrikaden geht.

Politik war nie sein Ziel

Geboren wurde Stefan Wolf in Oberndorf, sein Vater Günther war Chefredakteursvize des „Schwarzwälder Boten“. Acht Jahre lang gehörte er dem Landesvorstand der Jungen Union an. Viele der damaligen Mitstreiter wie Exministerpräsident Stefan Mappus oder Tanja Gönner haben hohe Ämter erlangt. Auch Wolf hätte einen Wahlkreis bekommen können. Doch wollte er erst Anwalt werden. So studierte er Jura in Tübingen, arbeitete bei einer Anwaltskanzlei und wechselte als Personalverantwortlicher zu Elring-Klinger. Der Börsengang im Jahr 2000 forcierte seine Karriere.

Heute jettet er oft in der Welt herum – sei es zu den Auslandsvertretungen, sei es zu Präsentationen. Für eine solche „Roadshow“ absolviert er Kopenhagen, Stockholm und Oslo in zwei Tagen. Von seinem Echterdinger Wohnort aus ist er zügig am Flughafen. Auch das Privatleben wird dem Tempo untergeordnet: Hin und wieder steht er um sechs Uhr auf, spielt eine Runde Golf und kehrt heim, bevor seine Frau, eine frühere Pressesprecherin im Sozialministerium, und die 13-jährige Tochter aufwachen. Derzeit baut Wolf ein Haus in Sindelfingen. Man könnte daraus schließen, dass er künftig nach langen Tarifverhandlungen in der nahen Stadthalle ganz schnell daheim sein will – wie es sich für ihn gehört.

Ein Weltmarktführer aus Dettingen/Erms

Massenprodukt Die Produkte von Elring-Klinger stecken in Millionen von Fahrzeugen fast aller Hersteller: Zylinderkopf- und Spezialdichtungen etwa oder Gehäusemodule für Motor und Getriebe. Da gebe es weltweit lediglich zwei, drei Unternehmen, die das Gleiche leisten, sagt Stefan Wolf. „Doch wir sind führend.“

Innovation Die Produkte werden von weltweit 6300 Beschäftigten (bundesweit 2500) an 41 Standorten gefertigt. Hinzu kommen Erzeugnisse aus Hochleistungskunststoffen für die Medizin- und Labortechnik, für Maschinenbau und Lebensmitteltechnik sowie seit zwei Jahren alternative Antriebskonzepte.

Zuwachs Elring-Klinger erwirtschaftet in guten Jahren eine Umsatzrendite von 14 bis 18 Prozent. Im zweiten Quartal 2012 wuchs das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) um 29 Prozent oder 38,8 Millionen Euro. Trotz der Schwäche der westeuropäischen Märkte zeigt der Trend bei dem Unternehmen weiter nach oben.