Viele Sportler und Sportmediziner schwören auf Tapes nach einer Sportverletzung, obwohl die Wirkung wissenschaftlich noch nicht belegt ist. In Stuttgart haben Physiotherapeuten praktisch demonstriert, wo die Bänder eingesetzt werden können.

Stuttgart - Wer sich bewegt und Sport treibt, der muss auch mit dem Risiko von Verletzungen leben. Doch was kann man neben einer orthopädischen und physiotherapeutischen Behandlung noch tun, um die Folgen von Sportverletzungen und anderen Problemen nach – manchmal übermäßiger – sportlicher Betätigung zu lindern? Darum ging es bei der jüngsten Veranstaltung im Rahmen der Reihe „Gesundheit beginnt im Kopf“ im Stuttgarter Rotebühlzentrum: „Taping – Weniger Schmerz, bessere Beweglichkeit“, ein Thema, dem manch ein Schulmediziner recht kritisch gegenübersteht.

 

Wer die vermeintlich sichere Alternative zu Sportverletzungen wählt – nämlich gar nichts zu tun –, ist allerdings schlecht beraten. Daran lässt der Moderator der Reihe, der Stuttgarter Mediziner Suso Lederle, gleich zu Beginn der Veranstaltung keinen Zweifel. Und der Sportmediziner Wolfgang Herb pflichtet ihm bei: Bei mangelnder Bewegung wachse die Gefahr von Übergewicht – und damit das Risiko für Bluthochdruck, Diabetes und Herz-Kreislauf-Krankheiten. Auch den Gelenken drohe durch Inaktivität ein frühzeitiger Verschleiß, zudem bringe die abnehmende Muskelmasse Probleme bis hin zu Rückenschmerzen mit sich. Nicht zu unterschätzen sei schließlich auch die positive psychische Wirkung körperlicher Aktivitäten.

Sport im Alltag ist somit äußerst sinnvoll. Sie bedeutet aber auch, dass man sich über seine Grenzen im Klaren sein muss und so dazu beiträgt, dass es erst gar nicht zu Verletzungen kommt – ein „gesundes Eigenverständnis“, wie es Herb formuliert. Gleichwohl bleiben, vor allem bei ungenügender Vorbereitung, typische Probleme nach sportlicher Betätigung oft nicht aus: Überlastungen und Verletzungen der Gelenke, Zerrungen, verspannte Muskeln, überdehnte Bänder und manches mehr.

Das Therapieziel heißt: mehr Bewegung

In solchen Fällen kann – neben einer klassischen Behandlung – auch das Aufkleben eines Bandes (Englisch: tape) helfen, das sogenannte Taping oder Tapen. Dies lehrt zumindest die Erfahrung von Sportlern, Sportmedizinern und Physiotherapeuten. Streng wissenschaftlich im Sinne der sogenannten evidenzbasierten Medizin ist die Wirksamkeit allerdings bis jetzt nicht nachgewiesen. Daran lassen neben Wolfgang Herb auch die beiden weiteren, zu der Veranstaltung geladenen Experten keinen Zweifel: der Sportwissenschaftler und Kunstturner Alfred Bauser, lange Jahre aktiver Hochleistungssportler und jetzt bei der AOK Stuttgart-Böblingen für Gesundheitsförderung zuständig, sowie der Kemptener Physiotherapeut John Langendoen, der zusammen mit Karin Sertel ein Buch über Taping geschrieben hat. Doch auch ohne wissenschaftlichen Nachweis sind sich alle drei Experten sicher, dass die selbstklebenden Bänder tatsächlich helfen.

Allerdings betonen die Experten auch, dass dies nur eine Maßnahme unter einer ganzen Reihe von therapeutischen Möglichkeiten sei, Muskeln, Sehnen, Bänder, Lymphgefäße und Gelenke positiv zu beeinflussen, wenn es dort Schwierigkeiten gibt. „Taping kann zwar nicht alles heilen, aber viel im positiven Sinne beeinflussen – und das ist schon sehr viel wert“, fasst Wolfgang Herb seine Erfahrungen zusammen. Und Alfred Bauser pflichtet ihm bei: „Wenn man sich mit Tape schmerzfreier bewegen und damit entspannter trainieren kann, dann ist auch die Muskulatur lockerer – alles zusammen bringt einen großen Effekt.“

Damit beschreibt der Sportwissenschaftler eine mögliche Wirkungsweise der Bänder: Durch den Zug, den die elastischen Bänder auf der Haut hervorrufen, werden dort Rezeptoren aktiviert. Dies führt zu einer Reaktion im Rückenmark oder im Gehirn. Damit verbunden ist vermutlich eine Hemmung des Schmerzempfindens. Dies wiederum führt zu einer geringeren Muskelspannung. Fazit: der getapte Patient bewegt sich insgesamt leichter und mit weniger Schmerzen. „Bewegung ist das eigentliche Ziel dieser Therapie“, fasst John Langendoen zusammen.

Vielleicht wirkt auch nur der Glaube an die Heilung

Der Physiotherapeut betont aber auch, dass alle Erklärungsversuche über die Wirkungsweise der Tapes bislang rein spekulativ seien. Einen gewissen Placeboeffekt möchte er – wie andere Experten auch – ebenfalls nicht ausschließen: Allein die Erwartung des Patienten, dass das Taping positiv wirken wird, könnte eine schmerzlindernde Wirkung haben. Insgesamt wünscht sich Langendoen aber mehr Forschung, unter anderem darüber, welche Faktoren sich mit dieser Methode gezielt verändern lassen. Belegt sei allerdings, dass der abschwellende Effekt des Tapings über das Lymphsystem zustande komme und die Durchblutung gefördert werde. Klar ist für den Taping-Experten aber auch, dass „völlig gesundes Gewebe kein Tape braucht“. Und Suso Lederle fügt an, dass die elastischen Bänder bei Krampfadern kein Ersatz für Kompressionsstrümpfe sein können.

Wichtig ist, dass der Physiotherapeut über die Beschwerden genau Bescheid weiß, bevor er tapt. Denn nur so lässt sich diese Maßnahme auf die jeweiligen Bedürfnisse abstimmen. Und dass dies eine Kunst für sich ist, wird klar, als John Langendoen auf der Bühne an maladen Beinen vorführt, wie, wo und mit welchem Zug die Bänder auf Fuß- und Kniegelenke geklebt werden müssen. Wie lange das Band auf der Haut bleiben kann, hängt vom Zug ab: Wenn am Knöchel beim Aufkleben stärker gezogen werden muss, hält das Band weniger lang, als wenn ohne großen Zug eine Schwellung am Unterschenkel getapt wird. So reicht die Haltbarkeit von wenigen Tagen bis zu zwei Wochen. Duschen, Schwimmen und Schwitzen sind dabei kein Problem.

Es ist durchaus möglich, sich die Bänder selbst anzulegen, was naturgemäß beim Fuß und Knie, aber auch bei einer überlasteten Hand ganz gutgeht. Wenn trotz Tape die Schmerzen allerdings anhalten oder gar zunehmen, dann ist der Gang zum Arzt angesagt – Zähne zusammenbeißen ist keine Option. Andererseits kann man sich die Bänder auch vom Spezialisten aufkleben lassen. Wenn dies im Rahmen einer physiotherapeutischen Behandlung geschieht, übernimmt die Krankenkasse die Kosten für das Aufkleben – nicht aber für das nicht gerade billige Band. Die schlagen laut John Langendoen mit zehn bis zwölf Euro zu Buche. „Das sollte es einem aber wert sein“, meint AOK-Mann Alfred Bauser.