Während die Villa Reitzenstein saniert wird, nimmt der Ministerpräsident seine Amtsgeschäfte in der Nachbarschaft wahr.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann oben bleibt auf der Gänsheide und mit seiner Staatskanzlei nicht in die City zieht, ist seit geraumer Zeit klar. Nun ist auch entschieden, wo der grüne Landesvater residiert, wenn sein Amtssitz, die Villa Reitzenstein, von Frühjahr 2013 an zwei Jahre lang saniert wird: Die Spitze des Stami zieht in die Nachbarschaft – ein Haus weiter. In der Villa Clay, die nach dem Krieg von der US-Armee in Beschlag genommen wurde, aber im Eigentum der Bundesrepublik war, lebte zuletzt William E. Ward, Viersternegeneral und inzwischen pensionierter Chef des US-Afrikakommandos. Am Donnerstag haben Bund und Land den Kaufvertrag für die Immobilie unterschrieben. Über den Preis wurde Stillschweigen vereinbart, es ist aber von einem mittleren einstelligen Millionenbetrag die Rede.

 

Villa Reitzenstein ist dringend sanierungsbedürftig

Damit können im Staatsministerium die Planungen für die Erneuerung der Residenz in bester Halbhöhenlage weitergehen. Die von 1910 bis 1913 im Stil des französischen Barocks erbaute Villa Reitzenstein ist seit Längerem reif für eine grundlegende Sanierung. Das Gleiche gilt für den asbestverseuchten Erweiterungsbau, den der Architekt Peter Conradi geplant hat. Die Villa soll nicht zuletzt energetisch auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden, der Nebenbau, in dem Büros und das Kasino untergebracht sind, wird abgerissen und durch einen Neubau ersetzt.

Die Nutzung des Clay-Hauses, das eine Nutzfläche von 1000 Quadratmetern hat und von einem 4000 Quadratmeter großen Grundstück umgeben ist, durch die Landesregierung wird aber keine kurze Episode bleiben. Die Villa werde auch über die Sanierungszeit hinaus „eine wichtige räumliche Ergänzung für die Arbeit des Stami sein“, sagte Arne Braun, der Sprecher der Landesregierung. Die Staatskanzlei, die in dem Viertel auf der Gänsheide bis jetzt schon fünf weitere Gebäude nutzt, habe seit Längerem Platznöte. Weil der Ersatzbau nach dem Abriss des Kasinos besser in das Gebäudeensemble der Villa Reitzenstein eingepasst werden soll und deshalb kleiner ausfällt als das heutige Gebäude, werde auch Bürofläche verloren gehen, erklärte Arne Braun.

Interimsbau zu klein für Kabinettssitzungen

Während der Sanierung wird zwischen dem jetzigen Amtssitz des Ministerpräsidenten und der Villa Clay, die nur durch einen Zaun getrennt sind, vorübergehend ein Fertighaus als Flächenersatz entstehen. Nach Angaben des Regierungssprechers hat das Staatsministerium derzeit 259 Mitarbeiter. Für die Zwecke des Ministerpräsidenten ist die Villa Clay trotz des großzügigen Empfangssalons mit Einschränkungen verbunden. „Die repräsentativen Räume sind kleiner als in der  Villa Reitzenstein“, sagte Braun. Deshalb können im Stami zwei Jahre lang keine Kabinettssitzungen mehr stattfinden, diese müssen in dieser Zeit voraussichtlich im Neuen Schloss abgehalten werden.

Dass das Staatsministerium nicht komplett und auf Dauer dorthin umzieht, was erwogen wurde, hat finanzielle Gründe: wegen der hohen sicherheitstechnischen Anforderungen wäre ein neuer Amtssitz im Planieflügel des Schlosses viel zu teuer. Auch die Idee, das Staatsministerium in das von Breuninger-Chef Willem van Agtmael geplante Kaufhausprojekt Da Vinci zu verpflanzen, liegt bekanntlich bei den Akten.

Clay Villa hat eine bewegte Geschichte

Benannt wurde die Clay-Villa nach dem US-amerikanische Militärgouverneur General Lucius D. Clay, dem Initiator der Berliner Luftbrücke. Dieser hatte seinen Sitz nach dem Krieg zunächst in der Villa Reitzenstein, bevor diese 1948 fester Sitz des Staatsministeriums wurde. Die Pläne für die Villa stammen von den Stuttgarter Architekten Ludwig Eisenlohr und Oscar Pfennig. Eisenlohr hat auch das Schiller-Nationalmuseum in Marbach gebaut, von ihm und Pfennig stammen die Pläne für die Heilandskirche in Berg und die Hochbauten auf dem Steinhaldenfeld-Friedhof.

Auftraggeber war 1915 der Pforzheimer Fabrikant Georg Wilhelm Fühner, gebaut und 1923 bezogen wurde die Villa aber nach dessen Tod von dem Stuttgarter Geschäftsmann Emil Albert Zarges. Mitte der 30er Jahre ging das Haus an die Wehrmacht und wurde Wohnsitz der Generäle Hermann Geyer und 1939 von Karl Richard Ruoff. Der heutige Chef des US-Africoms, Carter F. Ham, der seit März 2011 im Amt ist, zog es vor, näher bei der Truppe zu wohnen..