Stadtentwicklung Kreuzchen für Stuttgart

Radverkehr in Kopenhagen Foto: red

Die Stadt muss sich anstrengen, um im Wettbewerb mit anderen Großstädten erste Wahl zu bleiben, kommentiert Lokalchef Jan Sellner.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - Ganz gleich, für wen Sie am Sonntag stimmen – Stuttgart ist immer eine gute Wahl! Eigentlich. Doch Vorsicht, es ist kein Naturgesetz, dass man sein Kreuzchen hinter Stuttgart setzt und der Stadt den Vorzug vor anderen Städten gibt. Warum Stuttgart? Und nicht Hamburg, Frankfurt oder München? – Nur weil wir gerade vom Wählen sprechen.

 

Es ist schon merkwürdig: Stuttgart begegnet einem als eine von Selbstzweifeln geplagte Stadt. Zugleich zeigt sie sich selbstbewusst: Hier schlägt das Herz der Automobilindustrie, hier gibt es Kultur von Weltformat, hier spielt der VfB. Natürlich! Und dann diese Landschaft!

In Wahrheit ist Stuttgart durch seine Lage begünstigt und benachteiligt zugleich. Es hat Wälder und Reben, aber kein Wasser – abgesehen vom Mineralwasser, das nur wenige nutzen. Der Umstand, flussabgewandt zu sein, ist der wohl größte Konstruktionsfehler der Stadt, gefolgt vom Stadtautobahngeflecht aus den 1950er Jahren. Versuche, Stuttgart in der Hinsicht zu reparieren, münden regelmäßig in Frust.

Der Blick nach außen ist wichtig

Natürlich hat Stuttgart auch viele schöne Seiten. Hier lässt sich’s gut leben, vorausgesetzt, die wirtschaftlichen Grundlagen verrutschen nicht und man findet eine Wohnung und seinen Platz. Doch ist die Stadt auch auf der Höhe der Zeit? Kann sie Schritt halten mit anderen Großstädten? Dazu muss man die Situation anderswo kennen. Vom früheren OB Wolfgang Schuster kann man lernen, wie wichtig der Blick nach außen ist. Schuster war international als Ideensammler unterwegs. Davon hat Stuttgart profitiert. Diesen Blick gilt es dringend, wieder zu schärfen, denn eine Stadt braucht diesen Input. Wie man Fahrrad- und Autoverkehr intelligent und gleichberechtigt organisieren kann, lernt man in Kopenhagen. Wer das Stadtleben fördern will, schaut sich die möblierten Sommerstraßen in Stockholm an. Es gibt viele solcher Beispiele. In vielen Städten. Nicht alles ist übertragbar, doch es erweitert den Horizont. Gerade wenn man im Kessel liegt.

Für eine Kultur des Ermöglichens

Zugleich gilt es wertzuschätzen, was in der Stadt selbst entsteht. Und das ist jede Menge. Es sind vorwiegend die Jüngeren, Kreativen, die auf Augenhöhe mit anderen Metropolen leben und die Atmosphäre in der Stadt positiv verändern, gerade auch in Richtung Nachhaltigkeit. Der Lifestyle einer Stadt wird maßgeblich von unten geprägt. Deshalb braucht es mehr Freiräume für Ideen und weniger Vorschriften, die Kreativität. So wie es Älteren erlaubt sein sollte, Bänkle auf das Trottoir zu stellen. Das ist kein Plädoyer für weniger Rücksicht, sondern für eine Kultur des Ermöglichens. Bei der Gelegenheit: Auch Stuttgarts Planer und Architekten verdienen mehr Beachtung als bisher. Sie müssen endlich auch in der eigenen Stadt etwas gelten. Das Potenzial ist zweifellos da, um erste Wahl zu bleiben.

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