Die Ausstellung „Gründerzeit“ zeigt, wie sich der Stuttgarter Westen gewandelt hat. Die alten Fotos, die im Bürgerzentrum zu sehen sind, lassen sich mitunter auch als Anregungen für die bevorstehende Sanierungen im Bezirk lesen.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

S-West - Es ist ein Projekt, das die Familie Ernst nun ein gutes Jahr beschäftigt hat. Und das, so hört es sich zumindest an, immer weitere Kreise zieht.

 

Eckhard und Christine Ernst und ihr Sohn Clemens haben Fotos vom Stuttgarter Westen zusammengetragen, aus der Gründerzeit, beginnend in den 1860er-Jahren, bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Die Fotos gruben sie in Archiven aus oder bei privaten Sammlern, die sich gemeldet hatten. Alle drei engagieren sich bei der Initiative Stadtraum West, das Fotosammeln begann als Recherche für das Sanierungsgebiet Stuttgart 28, also die Neugestaltung des Gebiets Bismarckplatz und Elisabethenanlage. „Die Bilder ermöglichen einen neuen Blick auf Altbekanntes, und das hat uns so begeistert, dass wir weitergemacht haben“, erklärt Eckhard Ernst. Daraus hätten sich dann überraschende Funde ergeben, etwa die „1942er-Fotos“: „Irgendjemand in der Stadtverwaltung hat 1942 den Auftrag gegeben, alle Straßen der Stadt zu fotografieren“, erklärt Eckhard Ernst. „Als ob man schon ahnte, dass nicht alles den Krieg überleben würde.“

Aus der Geschichte lernen

Interessant fanden die Ernsts auch, „wie selbstverständlich damals der Straßenraum, der öffentliche Raum gemeinsam genutzt wurde“: von Fußgängern, spielenden Kindern, Kutschen, Autos. Das, was heute „Shared Space“ genannt wird und kaum umzusetzen ist.

Die Ausstellung, die in Kooperation mit dem Stadtarchiv Stuttgart entstanden ist, war bereits im November in verschiedenen Läden im Bezirk ausgehängt. „Da hat sich gezeigt, wie groß das Interesse daran ist“, so Eckhard Ernst.

„Aus der Geschichte können wir lernen, was gut funktioniert“, sagte Bezirksvorsteher Reinhard Möhrle zur Eröffnung der Ausstellung in den Bürgerräumen. Er nannte das Beispiel des Olgäle-Areals, das neu bebaut werden soll: „Mit kleinteiligen Parzellen, mit Gebäuden, die nicht höher werden als die Häuser drumherum.“

Bezirk im Wandel

„Das Bewusstsein für die eigene Geschichte ist der Grundstein einer Identität“, sagte Martin Holch vom Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung. Und die Identität sei wichtig, wenn es eben darum ginge, Gebiete neu zu gestalten. Günter Riederer vom Stadtarchiv Stuttgart lobte die „große Zähigkeit und den Einsatz“ der Familie Ernst. „Die Fotos zeigen, dass ein Bezirk vom Wandel lebt, nicht vom Stillstand“, meinte er.