Stadtklima Waiblingen Warum es der City an Frischluft fehlt

Aus stadtklimatischer Sicht ist der Postplatz sanierungsbedürftig. Foto: Gottfried Stoppel/Gottfried Stoppel

Frische Luft ist Mangelware in der Waiblinger Kernstadt. Der Biologe Björn Schäfer erklärt, wie sich Bauprojekte auf das Stadtklima und auf Nachbarkommunen auswirken.

Waiblingen - Mit einem Ärztehaus soll die nach dem Abriss der Avia-Tankstelle frei gewordene Fläche an der Waiblinger Fronackerstraße in unmittelbarer Nachbarschaft zum Postplatz bebaut werden. So lauten zumindest die aktuellen Pläne. Wenn es nach den Empfehlungen von Björn Schäfer gehen würde, dann sollte an dieser für das Stadtklima strategisch wichtigen Stelle aber genau das Gegenteil entstehen – eine Grünfläche. Diese würde bewirken, dass die Kernstadt etwas bekommt, woran es ihr schon jetzt extrem mangelt: frische Luft.

 

Ackerflächen sind wichtig für Frischluft

Am Mittwochabend hat Schäfer, der Biologe und Leiter des Fachbereichs Botanik in der Wilhelma ist, einen Vortrag darüber gehalten, wie sich der Klimawandel ganz konkret auf seine Heimatstadt Waiblingen auswirken wird. Und er hat anhand von Beispielen aufgezeigt, welche Entscheidungen und Bauprojekte der Vergangenheit das Stadtklima schon jetzt negativ beeinflussen. Wobei die Einflüsse weitreichend sind. „Jede Entscheidung, die Fellbach trifft, betrifft uns unmittelbar. Und was wir tun, das betrifft Korb“, verdeutlichte Schäfer die Zusammenhänge. Anhand von Karten zeigte er auf, welch immens wichtige Rolle die Acker- und Grünflächen zwischen Waiblingen und Fellbach spielen: Dort verläuft die eine verbliebene, von Schadstoffen unbelastete Luftleitbahn, die sich die beiden Städte teilen und die frische Luft nach Waiblingen bringt.

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Die neue industrielle Bebauung auf dem Gelände der einstigen Ziegelei Hess mag zwar Gewerbesteuer in die Stadtkasse spülen, für die frische Kaltluft, die hier eigentlich in Richtung Kernstadt strömen würde, stelle die Querverbauung aber ein massives Hindernis dar, erläuterte Schäfer: „Bei künftigen Maßnahmen müsste man so etwas mehr berücksichtigen.“ Auch die Bebauung der Blütenäcker in Waiblingen-Süd habe sich im Nachhinein zumindest für das Stadtklima als Fehler erwiesen, sagte Schäfer, der betonte, ihm sei bewusst, dass auch Wohnraum gebraucht werde. Fakt sei aber, dass sich hier vor der Entstehung des Wohngebiets Hangabwinde und eine Strömung gebildet hätten, die frische Luft in die Stadt trugen. Das ist nicht mehr der Fall. Bei Schadstoffmessungen in der Kernstadt hat die Luftqualität in Waiblingen Werte zwischen befriedigend und ausreichend erzielt. Die Stadt Stuttgart schaffe inzwischen zum Zwecke besserer Luft gezielt Durchlüftungsflächen, berichtete Schäfer. Im Falle des Gebiets Oberer Hasenberg, einem als Baugebiet ausgewiesenen Bereich in bester Lage, sei die Stadt bis vor das Verwaltungsgericht gezogen, um den Bebauungsplan zu ändern und die Flächen freizuhalten – letztlich mit Erfolg.

Im Vortrag nahm Björn Schäfer Orte unter die Lupe, die unter stadtklimatischen Aspekten sanierungsbedürftig wären, weil sie störende Bauwerke oder verdichtete Siedlungsräume aufweisen. Die gesamte Altstadt sei eine Problemzone, zudem der Bereich Postplatz, Querspange und Fronackerstraße. In der denkmalgeschützten Altstadt sei nicht viel zu machen, räumte der Fachmann ein, riet aber dazu, wo immer möglich Flächen zu entsiegeln, Parks zu erhalten und Bäume zu pflanzen. Bei Letzteren müsse man auf Arten setzen, die ohne viel Bewässerung überleben, denn schon jetzt gebe es ein akutes Grundwasserproblem.

Zisternen gegen den Wassermangel

Der Bereich um den Postplatz sei denkmaltechnisch unproblematisch und verfüge über große Dachflächen und Fassaden, die begrünt werden könnten. Dadurch heizten sich die Bauten weniger auf, die Grundtemperatur in der Stadt bleibe niedriger. Schon jetzt gilt die Kernstadt als städtische Wärmeinsel: Die Temperatur bleibt nachts viel zu hoch, ungesund hoch. Mit Zisternen könnte der Wassermangel etwas ausgeglichen werden, für deren Standort müsste vielleicht der ein oder andere Tiefgaragenplatz weichen. Schäfer riet zur Entsiegelung von Flächen und zu Grün, denn wo Grün ist, gibt es Verdunstung und es entsteht frische Luft. Und die wäre gerade am Postplatz dringend nötig.

Den Vortrag kann man nachhören unter www.youtube.com/watch?v=sUk91qGMxcI

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