Stadtplanung im Stuttgarter Süden Stadt will das Schoettle-Areal kaufen

Das Statistisches Landesamt zieht vom Stuttgart Süden nach Fellbach. Foto: Lichtgut/Leif Piechowsk/i

Es ist eine Binsenweisheit, es gibt viel zu wenige Wohnungen in Stuttgart. Nun wird ein großes Areal im Süden frei. Was soll dort passieren? Kommt dort wieder ein Investor zum Zuge? Eine Gruppe engagierter Bürger hat eine Idee.

Nicht nur die Mitarbeiter des Statistischen Landesamts sind derzeit in ihren Büros an der Böblinger Straße zugange. Auch Drees und Sommer hat eine Abordnung geschickt. Der Bauplaner soll herausfinden, wie viel das Areal samt den Gebäuden in Heslach wert ist. Es soll demnächst den Besitzer wechseln. Was passiert dann?

 

Um welches Gelände geht es? Nach dem nahe liegenden Erwin-Schoettle-Platz nennt man das Gebiet zwischen der Böblinger Straße und der Mörikestraße Schoettle-Areal. Es ist 15 000 Quadratmeter groß. Auf 7000 Quadratmeter befindet sich das Statistische Landesamt. Es wird Ende des Jahres frei, weil das Landesamt nach Fellbach zieht. Die angrenzenden Gebäude werden von der Uni Stuttgart genutzt, die 2035 den Standort aufgeben möchte.

Was passiert nun? Es ist ein zäher Prozess. Seit fünf Jahren ist man in Gesprächen. Das Land hatte zunächst erwogen, die Fläche gegen eine städtische Fläche zu tauschen. Nun will es doch an die Stadt verkaufen. Drees und Sommer wird den Wert ermitteln. Nun ist das Vergaberecht recht komplex. Vereinfacht darf man sagen: Wenn sich die Stadt verpflichtet, einen bestimmten Anteil Sozialwohnungen darauf zu bauen, darf das Land an die Stadt und nicht an den Meistbietenden verkaufen. Alle Signale deuten darauf hin, dass die Stadt kaufen möchte.

Wie geht es weiter? Wirtschaftsbürgermeister Thomas Fuhrmann sagt: „Vor allen Dingen müssen wir die Fläche erst einmal erwerben.“ Raiko Grieb, der Bezirksvorsteher von Stuttgart-Süd, kann sich auf dem Gelände 40 Prozent Gewerbe und 60 Prozent Wohnen vorstellen. Man dürfe nicht vergessen, dass das Statistische Landesamt ein großer Arbeitgeber sei. „Die 400 Mitarbeiter gehen einkaufen, zum Mittagstisch, einen Kaffee trinken“, man werde merken, wenn das Amt nach Fellbach (Rems-Murr-Kreis) ziehe.

Initiative hat einen Vorschlag Konkrete Vorschläge macht die Initiative Solidarische Nachbarschaft Schoettle-Areal. Sie hat sich 2020 gegründet. Darin finden sich rund 300 Leute zusammen, um über die Nutzung des Areals nachzudenken. Einer der Sprecher, der Architekt Kai Lanziner, sagte bei einer Podiumsdiskussion der SPD im Heslacher Jugendhaus, man wolle unbedingt einen Leerstand vermeiden und hätte 110 „Pioniere“ beisammen, die Anfang 2024 einziehen könnten. Künstler, Handwerker, soziale Gruppen. Ziel sei „eine Stadt in der Stadt“, die einen Querschnitt der Bevölkerung abbildet: Alte, Junge, Arme, Reiche, Eingeborene, Neig’schmeckte, Unversehrte, Versehrte. Gedacht sei an eine Stadtteilkantine, Werkstätten, Nahversorger, Kita, Pflegestation, Cafés, Waschsalons und Großküche als Gemeinschaftsräume, kleine Äcker und Gärten und vieles mehr.

Und was ist mit den Wohnungen? Ein Stichwort, das immer wieder fällt, ist „gemeinwohlorientiert“. Simpel gesagt: Man will kein Geld verdienen. Als Rechtsform liebäugelt man mit einer Genossenschaft, bei der die Mitglieder Einlagen bringen. Man will den Bestand nutzen, Wohnraum flexibel gestalten, also je nach Bedarf mitschrumpfend oder mitwachsend. Mit vielen Gemeinschaftsräumen. Ein Konzept, dass die städtische Tochter SWSG im Rahmen der IBA 2027 in Rot ausprobiert. Der Bezirksvorsteher Grieb hat dafür tendenziell Sympathie, plädiert aber für eine Bürgerbeteiligung über die Frage, was mit dem Areal geschehen soll. Er möchte auch nicht, dass da sündhaft teure Eigentumswohnungen entstehen, von wo der Manager morgens mit dem SUV nach Untertürkheim fahre und abends zurück. Es soll mehr als eine nur eine Schlafstadt werden. Er gibt aber zu bedenken: „Es gibt im Bezirk auch viele Menschen, die eine klassische Eigentumswohnung mit Tiefgaragenplatz mögen.“

Gemeinwohl? Ist das realistisch? Es gibt Vorbilder. In Zürich etwa Karthago, Kalkbreite, Dreieck, wo teils mehr als 1200 Leute wohnen. Sie bündeln sich in der Initiative Neustart. Diese ist auch Vorbild für eine Gruppe von Tübingern, die das Marienburger Areal neben dem Französischen Viertel entwickeln wollen. Ihr Konzept ist fertig. Sie werden sich jetzt bei der Stadt um das Areal bewerben. Ganz bewusst grenzen sie sich ab vom bisherigen Tübinger Modell, wo Baugruppen von rund 30 Parteien einzelne Gebäude gebaut haben. „Da haben viele Wohnungen mittlerweile mehrmals den Besitzer gewechselt“, sagt Marc Amann von der Tübinger Initiative. Es wurde also bei steigenden Preisen viel Geld verdient. „Und der eine Gemeinschaftsraum pro Haus ist jetzt mit Krempel gefüllt.“ Das soll bei ihnen anders ein. Seit acht Jahren arbeiten sie daran, an „gemeinschaftliche Formen von Wohnen, weniger privater Wohnfläche“.

Was heißt das für das Schoettle-Areal? Dass die Stadt das Areal erwirbt, ist die erste Voraussetzung. Dann muss man den Zustand der Gebäude erkunden, sagt die Stadtplanerin Carolin zur Brügge. Rettungswege, Brandschutz – allein diese beiden Wörter lassen ahnen, dass ein Einzug Anfang 2024 wenig wahrscheinlich scheint. Sie möchte auch nichts versprechen, rät aber, mit den Freiflächen anzufangen. Aber klar sei auch, so ihr Hinweis an die Initiative, „es muss jemand geben, der Chef wird.“ Die Stadt braucht einen Ansprechpartner. Und die Initiative braucht eine Rechtsform, sei es eine Genossenschaft oder ein Verein, der es ihr erlaubt, mit der Stadt ins Gespräch zu kommen. Und die Finanzen? Darüber hat sich Lanziner von der Initiative Gedanken gemacht. Er geht von einem Kaufpreis von 45 Millionen Euro aus. Zwei Drittel könne man über eine Förderung bekommen. Den Rest zu finanzieren hält er für realistisch.

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