Beim letzten Stadtspaziergang der Saison 2013 führt die Pflegemanagerin Sabine Bergmann-Dietz zu Stellen, die für ältere Menschen Hindernisse im Alltag sein können. „Gerechtigkeit für jung und alt“ ist ihr Credo.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Der Stadtspaziergang ist dieses Mal auch eine Lektion in Sprachkunde gewesen – oder vielmehr ein Sensibilisierungskurs für einen achtsameren Umgang mit bestimmten Begriffen, die immer wieder in den Wortschatz drängen, wenn es um die Altersstruktur der Gesellschaft geht. „Es ärgert mich so maßlos, wenn ich Begriffe höre wie demografische Keule oder demografische Katastrophe“, sagt Sabine Bergmann-Dietz, die als Geschäftsführerin des städtischen Eigenbetriebs Leben und Wohnen bei der gemeinsamen Veranstaltung der Stiftung Geißstraße und der Stuttgarter Zeitung am Samstag durch die Stadt führte.

 

Zu den unbedachten Äußerungen, die ältere Menschen diskriminieren würden, zählt sie auch den oft leichtfertig dahingesagten Spruch: „Herr Alzheim lässt grüßen!“, wenn betagten Personen Kleinigkeiten entfallen. „Ich ärgere mich. Ärgern Sie sich auch, wenn Sie so etwas hören. Widersprechen Sie!“, lautet die leidenschaftliche Forderung der Pflegemanagerin, die 2011 vom Münsterland nach Stuttgart kam.

Die Stadt soll gerecht für jung und alt sein

Das Stuttgart, das die 48-jährige Pflegemanagerin erst seit wenigen Jahren kennt und liebt, soll „gerecht für Jung und Alt“ sein. So hat Sabine Bergmann-Dietz ihren Rundgang überschrieben, und so, hofft sie, könnte sich die Stadt in den kommenden Jahren entwickeln. Das fange bei der Sprache an und erstrecke sich in alle Lebensbereiche. Wie schwierig es sein kann, sich in der Stadt fortzubewegen, das konnte Bergmann-Dietz am Samstag eindrücklich und schmerzlich zugleich vorführen: Durch einen Sportunfall war sie leicht in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und humpelte mit den Spaziergängern durch die Innenstadt. „So schnell kann es gehen, das kleine Hindernisse schwer zu bewältigen sind“, sagte sie.

Nicht immer brauche man große Hilfsmittel und komplexe Strukturen, um ein besseres Miteinander hinzubekommen. „wenn Sie jemanden sehen, der sich nicht orientieren kann, gehen Sie hin und helfen Sie“, bittet Bergmann-Dietz. Unüberwindlich für Rollstühle und Rollatoren könne ein hoher Bordstein werden, wie etwa der an der Ecke Adler-/Möhringer Straße. „Wenn ein Autofahrer aussteigt und hilft, anstatt genervt auf die Uhr zu sehen, kommen alle besser voran.“

Der Weg zum barrierefreien Zugang ist oft ein Umweg

Der Weg zum barrierefreien Zugang sei oft nicht der kürzeste und naheliegende, das zeigte Bergmann-Dietz vor der Kirche St. Maria an der Tübinger Straße. Kirchen seien für ältere Menschen nicht nur aus religiösen Gründen Treffpunkte. „Man sammelt sich, erinnert sich hier“, sagt die Pflegemanagerin. Doch wie umgeht man die Stufen am Eingang? Zur Seitentüre muss derjenige erst finden, der dafür nicht mehr fit genug ist. Gleiches gelte auch für den Zugang zur Stadtbahn am Marienplatz. Das ist ein langer Weg entlang der Stufen.

Der Weg zur Kirche führt durch Stuttgarts erste Mischverkehrsfläche, die ganz ohne Schilder auskommt und allen Verkehrsteilnehmern gleiche Rechte einräumt. Ganz schön gerecht in Bergmann-Dietzs Sinne – eigentlich. Die Bezirksvorsteherin von Mitte, Veronika Kienzle, machte jedoch auf Probleme aufmerksam, die es im sogenannten Shared Space immer noch gebe. Ein Teil der Fläche sei grundsätzlich zugeparkt, durch die ungeschickt gewählte Teilung des Fahrbahnbelags würden Autofahrer einen Streifen Asphalt immer noch als ihren Bereich ansehen. Das erschwere den rücksichtsvollen Umgang.

Ein wunderbares Beispiel für ein gelungenes Miteinander zeigte Sabine Bergmann-Dietz am Ende des Spaziergangs. Sie führte die Gruppe zum Generationenhaus Heslach der Rudolf Schmid und Hermann Schmid Stiftung, mit 60 Plätzen für die junge Pflege und 20 für die Seniorenpflege. „Die Menschen fühlen sich hier wohl, sie sind nahe an der Stadt und haben eine wahnsinnig gute Verkehrsanbindung“, sagte Bergmann-Dietz. Die Menschen sind da, wo sie hingehören: in der Mitte der Gesellschaft, und das Haus holt mit seinen Angeboten Leben in die Bude. „Einfach nur gut“, findet das die Pflegemanagerin.