In der Renaissance fangen die Menschen an, sich mehr für sich und weniger fürs Göttliche zu interessieren. Wie das aussah, will eine Frankfurter Ausstellung zeigen. Gelingt das?

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Fast wäre er hingerichtet worden. Wer weiß, vielleicht war der Bürgermeister von Basel tatsächlich korrupt und hat Gelder unterschlagen.

 

Als er angeklagt wurde, wollten seine calvinistischen Richter ihn aber aus ganz anderen Gründen absägen: Jakob Meyer zum Hasen war ein Gegner der Reformation und der katholischen Kirche eng verbunden. So betete er und wurde offenbar erhört – am Ende genügten die Beweise nicht, den Bürgermeister umzubringen.

Heute würde kein Mensch mehr den leicht übergewichtigen Mann mit roten Backen kennen, wenn Jakob Meyer zum Hasen nicht eines der berühmtesten und inzwischen auch teuersten Bilder der Renaissance in Auftrag gegeben hätte: ein Madonnengemälde von Hans Holbein dem Jüngeren. Neben der Mutter Gottes mit dem Kinde sieht man unübersehbar den Herrn Bürgermeister, der kniend betet. Fünfzig Millionen Euro soll der Unternehmer Reinhold Würth vor zwölf Jahren für das Gemälde gezahlt haben – und hat es nun dem Städel in Frankfurt ausgeliehen, weil es nicht fehlen darf in der gigantischen Ausstellung zu „Holbein und die Renaissance im Norden“. Schließlich ist das Bild nicht nur als „national wertvolles Kulturgut“ offiziell anerkannt, sondern ist für Kunsthistoriker auch ein Schlüsselwerk der Renaissance.

Würth hat angeblich fünfzig Millionen für ein Holbein-Gemälde gezahlt

Und das ist es, was man im Städel nun mit zahlreichen bedeutenden Leihgaben nachzeichnen will: Wie sich die Malerei vor 500 Jahren stilistisch entwickelte und wer wem dabei wie als Vorbild diente.

„Holbein und die Renaissance im Norden“ lautet der Titel, der etwas in die Irre führt – denn Norden meint hier weder Norddeutschland noch die Niederlande – sondern Augsburg. In Augsburg arbeiteten um 1500 zwei Männer, die als die ersten deutschen Renaissance-Maler gelten: Hans Holbein der Ältere und Hans Burgkmair der Ältere.

Norden meint für die Kuraten demnach nördlich der Alpen. Die Wurzeln der Renaissance-Kunst liegen in Italien, aber auch im übrigen Europa bahnt sich am Ende des Mittelalters ein neues Zeitalter an. Der christliche Glaube thront zwar weiterhin über allem, trotzdem richten die Menschen den Blick immer stärker auf das Hier und Jetzt. Es ist die Zeit der Entdecker und Gelehrten – und auch das Individuum nimmt sich immer wichtiger. Deshalb hängen in der Ausstellung im Städel auch zahlreiche Porträts – etwa von einem Baumeister, der sich 1507 von Hans Burgkmair mit Zirkel in der Hand malen ließ. Die Frau, die Hans Holbein senior um 1510 porträtierte, wird vermutlich genauso ausgesehen haben mit müdem Blick und welkender Haut.

Der Kaiser weiß, wie er die Kunst zu PR-Zwecken nutzen kann

Im Mittelalter investierten Adlige in Mariendarstellungen, weil sie hofften, sich damit einen besseren Platz im Himmel zu sichern. Kaiser Maximilian I. begriff schnell, dass die Kunst ihm auch auf Erden hervorragende Dienste leisten kann. Deshalb ließ er sich immer wieder porträtieren – ob nur im Brustbild oder in voller Ritterrüstung auf dem Pferd. Er setzte auch auf die neue Technik der Druckgrafik, die es möglich machte, sein Bild kostengünstig in die weite Welt hinauszutragen. Da der Kaiser allerdings über seine Verhältnisse lebte, warteten die Künstler oft vergeblich auf das Honorar für ihre PR-Dienste.

Das Städel zeigt nach eigenen Angaben „180 bedeutende Kunstwerke“ – Gemälde, Zeichnungen und Drucke nicht nur von den Holbeins und Burgkmair, sondern auch von Kollegen wie beispielsweise Dürer und Donatello, van Eyck und van der Goes.

Das breite Publikum wird sich allerdings schwertun, da der Kurator Jochen Sander erst gar nicht versucht hat, die zahlreichen Querbezüge und wissenschaftlichen Stil- und Detailfragen auch für Leute aufzubereiten, die keine Kunsthistoriker oder Connaisseure sind.

Um sich durch die Ausführungen zu Gesprenge und Predella, zu„vertikalen Bedeutungsachsen“ oder etwa „liturgischem Nachvollzug“ durchzubeißen, sollte man ausreichend Begeisterung und Energie mitbringen.

Die Ausstellung richtet sich an Kunsthistoriker und Connaisseure

Schade, denn neben vielen sehenswerten Gemälden finden sich durchaus interessante Hinweise in der Schau – etwa auf antijüdische Tendenzen in der Malerei der so hochgejubelten Künstler.

Als Holbein senior von den Frankfurter Dominikanern engagiert wurde, fügte er sich willig deren Wunsch, mit der Darstellung der Leidensgeschichte Jesu kräftig Stimmung zu machen gegen die Frankfurter Juden.

So entdeckt man auf Holbeins Frankfurter Dominikaneraltar reichlich abwertende Motive und Juden mit Hakennasen und aggressiven Gesten.

Zwischen Norden und Süden

Renaissance
Auch um 1500 begaben sich Künstler bereits auf Wanderschaft, um sich Impulse zu holen. Die deutschen Maler zog es nach Norden oder Süden. So reisten Albrecht Dürer oder Hans Burgkmair nach Italien, während es Hans Holbein in die Niederlande zog. Wie sich diese Einflüsse niederschlugen, erforschen Kunsthistoriker bis heute.

Ausstellung
bis 18. Februar, geöffnet Di–Fr 10 bis 18 Uhr, Do bis 21 Uhr. adr