Die Klassik-Champions kehren zurück: Der Dirigent Thomas Hengelbrock gastiert mit dem Balthasar-Neumann-Chor und -Orchester in der Liederhalle.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stars der internationalen Klassikszene sind demnächst im Konzert in Stuttgart zu erleben. Chefdirigent Thomas Hengelbrock erklärt, was sie dabei im Gepäck haben.

 

Herr Hengelbrock, wie hat ein so viel gefragter Musiker wie Sie die Coronajahre mit den vielen Lockdowns überstanden?

Gleich nach dem ersten Lockdown haben mein Team und ich begonnen, ein Sicherheitskonzept zu entwickeln. So konnten wir ab Juni 2020 in jedem Monat ein oder zwei Projekte verwirklichen. Balthasar-Neumann-Chor und -Orchester sind ja ohnehin europäische Ensembles, die Mitglieder stammen aus 28 Ländern. Wir haben immer geschaut, in welchem Land gerade was geht.

Gerade die Chorarbeit war lange Zeit unterbrochen. Wie konnte ein so hochklassiges Ensemble wie der Balthasar-Neumann-Chor in dieser Zeit bestehen?

Durch unser Sicherheitskonzept, erarbeitet mit einem fantastischen Labor in Hamburg und einem Direktor der Berliner Charité, konnte auch der Chor praktisch während der ganzen Pandemiezeit zusammenkommen und ohne Abstände proben, aufnehmen und eben teilweise konzertieren. Finanziell war die Zeit ein Desaster, weil sich für freiberufliche europäische Chöre und Orchester niemand zuständig fühlte. Psychologisch und künstlerisch hat uns diese Zeit aber noch mehr zusammengeschweißt.

Wie stark haben Sie ein Livepublikum vermisst? Braucht es zum gelungenen Konzert wirklich Zuhörer im Saal?

Aber natürlich! Gerade die Balthasari sind so fantastische Livemusiker, dass uns das sehr abgegangen ist. Aber bisweilen konnte man im harten Lockdown, etwa in der Schweiz, vor insgesamt 15 Zuschauern spielen und singen. Trotz der gespenstischen Situation waren das für alle sehr bewegende Momente.

In Stuttgart kombinieren Sie ein dem Publikum sehr bekanntes Stück, Beethovens dritte Sinfonie, mit etwas weniger Bekanntem, einem Requiem von Luigi Cherubini. Warum?

Die „Eroica“ ist als Hommage auf Napoleon und das Aufziehen einer neuen Menschheitsepoche geschrieben worden, avantgardistisch und voller Utopien. Auch wenn Beethoven die Widmung nach Napoleons Krönung zum Kaiser wieder zerrissen hat, sah er sich selbst als musikalischer Empereur Europas. Cherubini, der Napoleon eher kritisch gegenüberstand, hat sein Requiem elf Jahre später zur Erinnerung an die Enthauptung von Ludwig XVI. geschrieben – als Beschwörung eines ewig wirksamen Grundkonsenses. Auch das ist musikalisch grandios, bewegend und aktuell.

Viele Menschen sind gerade von Zukunftssorgen geplagt. Warum Musik?

Für uns Musiker stellt sich die Frage überhaupt nicht. Höchstens im Zusammenhang mit Fragen wie: Warum Essen? Trinken? Schlafen?

Termin

Thomas Hengelbrock mit dem Balthasar-Neumann-Chor und -Orchester: Meisterkonzert der SKS Russ, Liederhalle, Beethovensaal, S-Mitte. Dienstag, 9. Mai 2023, 20 Uhr