Robin ist neu in der Stadt und tut sich schwer damit, dass dort alles grau ist. Torben Kuhlmann erzählt mit feinen Schattierungen, wie doch noch Farbe in „Die graue Stadt“ kommt.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Seit Peter Hoegs Bestseller wissen wir, dass seine Protagonistin Fräulein Smilla wie alle Inuits mindestens 100 Wörter für Schnee kennt. Klar, wer im ewigen Winter lebt, darf auch verbal nicht darin verloren gehen. Sehr nachdenklich macht in diesem Zusammenhang der Blick in Torben Kuhlmanns Kinderbuch „Die graue Stadt“. Aschgrau, Silber, Stahlgrau, Anthrazit, Dunkelgrau, Schiefer, Mausgrau, Graphit steht auf den Farbtuben. Wie leben Menschen, die so viele Worte für die Farbe Grau haben? Diese und noch mehr Fragen spiegeln sich in dem verwunderten Blick eines Mädchens im gelben Regenmantel, das seine Nase am Schaufenster eines Farbenladens platt drückt.

 

Cover von „Die graue Stadt“ Foto: Nord-Südverlag/Torben Kuhlmann

Robin heißt es und ist neu in der Stadt. Der Blick aus Robins neuem Zimmer bot qualmende Schornsteine und öde Hochhausfassaden vor einem farblosen Regenhimmel. Jetzt will die Neugierige die Umgebung erkunden und prüfen, ob hier wirklich alles so trist ist – und sieht selbst im Farbenladen nur Tuben in allen denkbaren Schattierungen von Grau.

Ein Umzug zurück in die 1970er Jahre?

Straßen, Autokolonnen, Abgase, rauchende Fabrikschlote, Hausfassaden und ganze Viertel in trostlosen, rechtwinkligen Rastern: Robins Stadt sieht aus, als sei das Mächen beim Umzug aus Versehen in den 1970er Jahren gelandet. Torben Kuhlmann hat das so grandios und genau aufgezeichnet und in Grautönen koloriert, dass sich die Geschichte auch ohne Worte erschließen würde. Eine Warnung ist sie und Ermunterung zugleich: Drohen aktuelle Krisen, überholte Denkmuster zurückzubringen? Wie viel Veränderung traut sich jede und jeder zu?

Mit ihren bunten Stiften im Mäppchen und einem Sonnenblumenbild outet sich Robin gleich am ersten Schultag als anders. Beim Nachsitzen lernt sie, was von ihr gewünscht wird: „Anpassung, Unterordnung, Disziplin“. Für all das stehe die Farbe Grau. Wie Robin in ihrem Mitnachsitzer Alani einen Verbündeten findet, wie ein Regenbogen ihr mehr bunte Orte in der Stadt und einen Sabotage-Trick offenbart: das erzählt und zeichnet Torben Kuhlmann mit feinen Zwischentönen, die ein Happy-End immer ahnen lassen und deren feine Ironie das ältere Lesepublikum bestens unterhält.

Ein Buch, das Mut macht

„Erledigt!“, verkündet Robin, nachdem sie die Farbmischung in den Grauwerken manipuliert hat. So einfach geht Veränderung zum Guten außerhalb von Büchern leider nicht. Doch Torben Kuhlmann macht in seinem Buch Mut, aus alten Mustern auszubrechen.

Torben Kuhlmann: Die graue Stadt. Nord-Südverlag. 62 Seiten. 20 Euro. Ab 8 Jahren

Info

Buch
Torben Kuhlmann: Die graue Stadt. Nord-Südverlag. 62 Seiten. 20 Euro. Ab 8 Jahren