Der baden-württembergische Ministerpräsident hat sich in Stuttgart den Fragen von Gründern gestellt. Fazit: Hochschulen sind für mehr Start-ups im Land der Schlüssel. Und der Staat selber ist nur schwer beweglich.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Bekommt Bundeskanzlerin Angela Merkel bald einen Anruf von Winfried Kretschmann zum Thema Start-up-Förderung? Als der baden-württembergische Ministerpräsident beim Gründerfrühstück von Get Started, der Start-up-Initiative des IT-Branchenverbandes Bitkom und des Stuttgarter IT-Dienstleisters GFT, auf das Thema Bürokratie angesprochen wurde, erinnerte der Grüne an die verpasste Jamaikakoalition.

 

„Wir hatten da maximale Bürokratiefreiheit für Start-ups in den ersten zwei Jahren schon vereinbart. Das war Konsens“, sagte Kretschmann. Aber ob das in den jetzigen Sondierungsverhandlungen zur Großen Koalition noch drinstehe? „Ich nehme das mal auf und werde das über meine Kanäle einspeisen.“

Kretschmann: Firmen im Land sind hungrig nach Kooperation

Bevor der Ministerpräsident sich den Fragen der Gründer-Basis stellte, stimmte er ein Loblied auf Baden-Württemberg an: „Berlin hat den Hype – wir haben die Substanz“. Im Land würden Gründer mit guten Ideen mehr als anderswo auf potente Firmen stoßen, die „hungrig nach einer Zusammenarbeit mit Start-ups seien“.

Allerdings stand im Start-up-Monitor 2017 des Bundesverbands Deutsche Start-ups für die Politik der Landesregierung nur eine Drei minus. Das war immerhin eine halbe Note besser als im Vorjahr.

Kretschmann zählte eine ganze Reihe von aktuellen Initiativen der Landesregierung auf. Auf einem Startup-Gipfel in Stuttgart habe man neun Gründerregionen im Land vernetzt. Sechs neue Beschleunigungsprogramme für Startups in einem frühen Stadium seien an verschiedenen Standorten im Land geplant. Zusätzlich wolle man aktuell für die heikle Frühphase von Gründungen ein Finanzierungsmodell aus Israel kopieren. Es gebe zudem einen neuen Risikokapitalfonds des Landes mit einem Gesamtvolumen von 50 Millionen Euro, einschließlich des Kapitals privater Investoren.

Am Geld liegt es nach Meinung Kretschmanns jedenfalls nicht. Man wolle beispielsweise aus Landesmitteln 210 Millionen Euro in ein modernes Glasfasernetz investieren: „Aber auch der Bund muss da richtig drauflegen.“ Insgesamt investiere man eine Milliarde in die ganze digitale Agenda. „Das ist etwa fünfmal so viel wie ursprünglich geplant!“

Insbesondere die Hochschulen im Land seien im Blick, sagte Kretschmann: „Auch das Silicon Valley hätte es ohne die Universität Stanford nicht gegeben.“ Nach dem in Tübingen bereits gestarteten Projekt Cyber Valley, das der führende europäische Entwicklungsstandort für Künstliche Intelligenz werden soll und das schon Amazon und Facebook angelockt hat, sollen zwei weitere „Innovations-Valleys“ entstehen. Sie würden angedockt an die Hochschulen in Heidelberg (Medizintechnik) und Stuttgart (Mobilität). „Wir haben 70 Hochschulen, da müssen wir etwas machen, damit es dort auch eine Ausgründungskultur gibt,“ sagte Kretschmann.

Doch da hatten die Start-up-Diskussionspartner auf dem Podium, die Ausgründungen aus der Uni Tübingen und Freiburg repräsentierten, einige Ideen. Das Landesprogramm „Junge Innovatoren“, das solche Gründungen fördere, sei schwer zu bekommen, sagten sie unisono.

„Ich weiß als Start-up-Teilnehmer nicht, wer in der Jury sitzt“, sagte Sebastian Wagner, Gründer von Geospin aus Freiburg, einem Start-up, das präzise Geodaten etwa für Carsharing-Betreiber liefert. Er habe nichts gegen Professoren in der Jury, aber vielleicht sollten auch Praktiker repräsentiert sein? Genauso wurde fehlendes Feedback zu den Gründen der Entscheidung beklagt. „Man bekommt nur einen Brief, dass man abgelehnt wurde“, sagte Caroline Dabels, Gründerin von Ambigate aus Tübingen, einem Spezialist für Bewegungssensorik, der etwa Produkte zur Gesundheitsförderung anbietet: „Es ist völlig intransparent, was man besser machen könnte“.

„Könnten nicht einfach auch einmal staatliche Institutionen Start-up-Produkte ausprobieren?“, fragte die Ambigate-Gründerin Dabels. „Ja, es stimmt, wir arbeiten viel zu wenig mit Start-ups zusammen. Bis das aber mal in der Verwaltung klappt, bin ich nicht mehr im Amt,“ antwortete der Ministerpräsident. Verwaltungsstrukturen seien eben extrem konservativ. „Bevor wir darüber auch nur reden können, müssen wir uns erst mal selber digitalisieren.“

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