Kalt lässt er keinen: Der zukünftige Ministerpräsident Stefan Mappus polarisiert. Den Aufstieg erkämpfte er mit harten Bandagen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)
Stuttgart - Die Umfrage der "Pforzheimer Zeitung" war nicht repräsentativ, aber trotzdem aufschlussreich. Über was, wollte sie wissen, habe man sich im vergangenen Jahr am meisten gefreut? Auf Platz eins setzten die Leser mit 42,7 Prozent klar die Abwahl der FDP-Oberbürgermeisterin Christel Augenstein. Es folgten das Gehege für Fischotter und Waschbären im Wildpark, die Armenspeisung in der Vesperkirche oder der Weihnachtsschmuck in der Innenstadt.

Erst an zehnter und letzter Stelle, weit abgeschlagen mit 6,5 Prozent, kam ein Ereignis, das die Pforzheimer eigentlich mit lokalpatriotischem Stolz erfüllen müsste: die Entscheidung für Stefan Mappus als neuen baden-württembergischen Ministerpräsidenten.

Mappus polarisiert wie nur wenige


Ein Sohn der Stadt rückt an die Spitze des Landes - und kaum jemanden freut das? Joachim Becker (67) hat dafür eine simple Erklärung: "Die Menschen hier mögen ihn nicht." Unbefangen ist der frühere SPD-Oberbürgermeister in der Beurteilung sicher nicht: Zusammen mit der FDP haben Mappus und die CDU einst seine Abwahl durch Augenstein betrieben - was die Pforzheimer angesichts ihrer Finanzmisere inzwischen wohl bereut haben dürften. Doch Becker steht mit seiner Abneigung keineswegs alleine da.

Landesweit ist der künftige Regierungschef nach Umfragen noch ziemlich unbekannt und damit weder positiv noch negativ profiliert. In Pforzheim und dem Enzkreis aber, wo man ihn seit mehr als 20 Jahren kennt, polarisiert er wie wenige Politiker. Da gibt es einerseits vehemente Kritiker, auch in der eigenen Partei, die sehr grundsätzliche Vorbehalte gegen ihn hegen, da gibt es andererseits treue Anhänger, die ihm eine bedingungslose Bewunderung entgegenbringen - und dazwischen fast nichts. Kalt lässt Mappus niemanden.

Herkunft aus kleinen Verhältnissen


Das hat vor allem damit zu tun, wie der heute 43-Jährige Zug um Zug die Macht erobert, gesichert und ausgebaut hat. Viel darüber erzählen kann der Chef der Kreistags-CDU und Journalist Günter Bächle, der ihn seit gut 30 Jahren begleitet und zu den treuen Anhängern gehört. "Zielstrebig", "mutig" und "hartnäckig" sind Attribute, die bei Bächle häufig fallen. Beide stammen aus Mühlacker, wo Mappus im Ortsteil Enzberg in kleinen Verhältnissen aufwuchs - der Vater erst Schuhmacher, später Sparkassenangestellter.

Besonders politisch war das Elternhaus wohl nicht, ein Großvater soll aber schon Gemeinderat gewesen sein. Mit 18 strebte der Enkel ebenfalls ins Mühlacker' Kommunalparlament. Er verfehlte den Einzug knapp, ließ sich aber nicht entmutigen. Fünf Jahre später nahm er einen neuen Anlauf. "Er schuftete hart, lief mit dem Junge-Union-Prospekt von Haustür zu Haustür", erinnert sich Bächle. Diesmal klappte es, mit 23 wurde er der jüngste Gemeinderat.

Volker Kauders Wohlwollen


Nach Abitur und Wehrdienst hatte Mappus eine Lehre zum Industriekaufmann bei SEL in Pforzheim absolviert, danach studierte er in Hohenheim Wirtschaftswissenschaften. Kurz vor dem Abschluss folgte die nächste Stufe auf der politischen Karriereleiter. Der langjährige CDU-Vorsitzende im Kreisverband Pforzheim-Enz, Exstaatssekretär Hugo Leicht, hörte damals auf - nicht ganz freiwillig, wie Weggefährten des vor Jahren Verstorbenen berichten. Er fühlte sich von den jungen Leuten, die alte Verkrustungen aufbrechen wollten, aus dem Amt gemobbt. Man habe ihn "diffamiert, isoliert und liquidiert", wird bis heute seine bittere Klage zitiert.

Um die Nachfolge gab es einen wochenlangen internen Wahlkampf: der damals 28-jährige Mappus, längst im Landesvorstand der Jungen Union (JU), kandidierte gegen den 32-jährigen Roger Heidt, den aus Pforzheim stammenden Geschäftsführer des Landestourismusverbandes. Der Jüngere siegte knapp und wurde so jüngster CDU-Kreischef Deutschlands.

Als solcher fiel er auch dem CDU-Generalsekretär Volker Kauder auf, der seine Karriere fortan mit Wohlwollen begleiten sollte - und heute Patenonkel einer der beiden Söhne von Mappus ist. Mit Heidt arrangierte sich Mappus später wieder, vorvergangenes Jahr lotste er ihn als Bürgermeister nach Pforzheim.

Auch die folgende Etappe gewann der Aufsteiger im Kampf. Gegen einen Gefährten aus der Jungen Union sicherte er sich die Nominierung als Landtagskandidat - und zog 1996 für Pforzheim ins Stuttgarter Parlament ein. Sein Konkurrent verabschiedete sich später aus der Politik und machte eine steile Karriere in der Wirtschaft.

Ein jüngeres Ebenbild Teufels


Vollends Schub bekam Mappus' Karriere zwei Jahre später, als Erwin Teufel ihn überraschend zum Staatssekretär beförderte. Warum ausgerechnet er erkoren wurde, aus einer Schar von talentierten Jungabgeordneten, blieb rätselhaft. Manche vermuten dahinter die Fürsprache Kauders, manche die des JU-Landeschefs Dirk Notheis, der Mappus freundschaftlich verbunden war.