In der Sterilgutabteilung des Klinikums werden Leerlauf, Verschwendung und Überlastung beklagt. Das will der neue Ärztliche Direktor Jan Steffen Jürgensen ändern. Ein erster Erfolg ist die Zertifizierung.

Stuttgart - Die Zentrale Sterilgutversorgungsabteilung (ZSVA) des Klinikums befindet sich in den Katakomben des Katharinenhospitals. 65 Beschäftigte in Schutzkleidung arbeiten im Zweischichtbetrieb. Für die Geschäftsführung erfüllen sie „eine extrem wichtige und kritische Aufgabe, die höchste Priorität haben muss“. In der ZSVA werden jährlich fünf Millionen Instrumente aufbereitet, also von Blut, Knochen- und Geweberesten befreit, gereinigt, desinfiziert und sterilisiert.

 

Die Medizinprodukte kommen auf der „unreinen“ Seite an, werden vorgereinigt, dann in Maschinen gesäubert und desinfiziert. Entladen werden die Instrumente auf der „reinen“ Seite. Nach Kontrolle, Pflege und Funktionsprüfung werden sie in Siebe nach einer Liste gelegt oder gesteckt, die Anzahl, Artikelnummer und sogar die Anordnung vorgibt. Danach kommen die verplombten Beladungsträger für etwa eine Stunde in den Sterilisator. Jeder Arbeitsschritt wird von den Mitarbeitern dokumentiert und bestätigt.

Worüber klagen die Mitarbeiter?

Worüber klagen die Mitarbeiter? Es gibt Überlastungsanzeigen. Die Arbeitsbedingungen unter Kunstlicht sind schwierig. Der Plan sieht 58,1 Stellen für aktuell 65 Mitarbeiter vor, besetzt sind 62 Stellen, ab September sollen es 64 sein. Problematisch ist der hohe Krankenstand; mit 15,1 Prozent ist er doppelt so hoch wie in anderen Abteilungen. Im Schnitt kommen auf jeden Mitarbeiter 96 Überstunden, einige sollen bis zu 300 haben. Der Ärztliche Direktor Jan Steffen Jürgensen sagt 16 Monate nach seinem Dienstantritt: „Wir sind mittlerweile effektiv, liefern sicher sauberes, steriles Instrumentarium. Wir sind aber noch nicht effizient, es gibt Leerlauf, Verschwendung, unnötige Wege und komplizierte Bestellvorgänge. Der Aufwand für ein gutes Ergebnis ist enorm.“ So wandert beispielsweise ein Drittel der den OP-Teams übergebenen Instrumente unbenutzt zurück in die Aufbereitung. Jürgensen will mehr Personal einstellen und die Krankheitsquote durch bessere Arbeitsbedingungen sowie neue Dienstplanmodelle senken. Die Instrumente werden standardisiert – es gibt noch zu viele verschiedene mit derselben Funktion. Einmalmaterialien sollen helfen und eine bessere Abstimmung mit den OP-Teams dank neuen Managements. Außerdem werde kräftig in leistungsfähigere Reinigungs- und Desinfektionsgeräte investiert.

Welche Vorwürfe werden geäußert?

Welche Vorwürfe werden geäußert? Insider haben erklärt, wegen Personalmangels und immer mehr Operationen komme man oft mit dem Reinigen nicht hinterher, so das sich die Kisten mit verschmutzten Instrumenten vor den Türen türmten. Wenn sich die OP-Teams um die Vorreinigung drückten, müssten die verhärteten Anhaftungen zeitaufwendig entfernt werden. Mitunter sollen sich Einweg-Skalpelle darunter befinden, an denen man sich schneiden und infizieren könnte. Außerdem fehlten gelegentlich Medizinprodukte für das Packen neuer Siebe. Deshalb hätten schon Operationen verschoben werden müssen. Schwer wiegt der Vorwurf, beim Packen würden Instrumente mit Anhaftungen nicht immer mit dem kompletten Sieb zurück auf die unreine Seite gebracht, sondern selbst oberflächlich gesäubert. Das ist streng verboten.

Auch würden aus Gleichgültigkeit Vorschriften ignoriert; etwa indem die reine Seite ohne Schutzkleidung betreten oder diese nicht täglich gewechselt würde. Auch könne wegen Personalmangels die Betreuung von Praktikanten zu kurz kommen. Diesen würde dann zu viel Eigenverantwortung in den Abläufen zugestanden. Auch der hohe Anteil an ausländischen Mitarbeitern wird wegen Verständigungsproblemen, aber auch Wissensdefiziten kritisch gesehen. Laut Klinikum sind 30 von 65 Beschäftigten Ausländer, diese stammen zu fast 100 Prozent aus Südosteuropa.

Was sagt die Geschäftsführung dazu?

Was sagt die Geschäftsführung dazu? Sie ist mit dem Qualifikationsmix der Belegschaft und der Zusammensetzung zufrieden. 15,1 Prozent Krankenstand und 6000 Überstunden, ohne Möglichkeit, diese zeitnah abzubauen, seien zwar zu viel, man baue den Personalbestand aber aus. 89 Prozent verfügten mindestens über den Fachkundenachweis 1. Elf Prozent haben lediglich einen Kurs in Österreich gemacht, müssten nun aber den anspruchsvolleren deutschen mit schriftlicher Prüfung rasch nachholen.

Zu den Vorwürfen sagt Jürgensen: „Einen nach dem Reinigungsprozess entdeckten Blutrest abzuschmirgeln wäre kriminell.“ Gebe es noch Ablagerungen, müsse das komplette Sieb sofort zurück. Er könne solche Vorkommnisse nicht bestätigen. „Die Mitarbeiter identifizieren sich mit der Aufgaben und kontrollieren im Mehraugenprinzip.“ Reklamationen bleiben dennoch nicht aus. 2018 wurden bis Ende Juli 0,54 Prozent der Siebe von OP-Teams moniert; die Hälfte wegen Unvollständigkeit. 0,036 Prozent der Behältnisse würden wegen „unklarer Ablagerungen“ zurückgewiesen. Das könnten aber auch nur Spuren von Korrosion oder Oxidation sein. Weniger als zehnmal pro Jahr versteckten sich Einweginstrumente unter den zu reinigenden Medizinprodukten.

Jürgensen sieht seit seinem Dienstantritt „klare Fortschritte“. Sechs Millionen Euro seien investiert worden, davon 4,1 Millionen Euro für neue Instrumente. Der Zertifizierungsprozess nach der strengsten Norm sei auch abgeschlossen. Das Regierungspräsidium werde gebeten, künftig streng zu prüfen. Im Jahr 2009 gab es „kritische Ergebnisse“, 2015 seien sie schon etwas besser gewesen. Todesfälle infolge von Infektionen durch nicht steriles OP-Besteck sind der Behörde nicht bekannt. Allerdings seien die Ursachen schwierig zu erkennen.