Die Stiftung Warentest hat Vor-Ort-Apotheken und Versandapotheken geprüft: Nicht immer war die Beratung gut. Apotheker sollten zum Beispiel warnen, wenn zwei Medikamente nicht gleichzeitig eingenommen werden dürfen.

Stuttgart - Medikamente sollen Linderung verschaffen und im Idealfall heilen. Zu Risiken und Nebenwirkungen der Produkte sind neben Medizinern auch die Apotheker gefragt. Beraten sie nicht adäquat, kann ein Medikament zu einer „scharfen Waffe“ werden, wie es die Experten der Stiftung Warentest nennen. Als Testkäufer getarnt haben sie bei 17 Versandapotheken und 21 Vor-Ort-Apotheken im Raum Dresden, Frankfurt am Main und Hannover überprüft, wie es derzeit um die Beratungsqualität bestellt ist.

 

Das Fazit: nur acht der insgesamt 38 überprüften Anbieter schnitten gut ab – darunter waren vier Vor-Ort-Anbieter und vier Versandapotheken. Beide Sparten kommen ihrer Beratungspflicht demnach zu wenig nach. Versandapotheken erkannten zwar die Wechselwirkungen besser als ihre Kollegen vor Ort, dafür punkteten diese mit einer solideren Beratung bei rezeptfreien Produkten.

Bei drei der gestellten Aufgaben hätten die Apotheker der Stiftung Warentest zufolge jedoch auf kritische Wechselwirkungen der Medikamente hinweisen müssen: Eine Testkäuferin wollte beispielsweise ein Rezept einlösen, auf dem ein Arzt zwei Medikamente verordnet hatte. Einmal Tamoxifen-Tabletten, um nach überstandenem Brustkrebs ein erneutes Tumorwachstum zu verhindern. Und als Zweites Paroxetin-Tabletten gegen Depressionen. Nur zwei der Vor-Ort-Apotheken wiesen die Kundin auf die Wechselwirkungen hin. Paroxetin kann die Wirkung von Tamoxifen abschwächen – und damit den Schutz vor neuen Krebszellen. Sieben Versandapotheken teilten schriftlich mit, die Kundin solle den Arzt noch einmal wegen der Wechselwirkung kontaktieren. Keine der Apotheken hielt jedoch selbst Rücksprache mit dem Mediziner.

Vier Apotheken dosieren ein Medikament zu hoch

Ein Beispiel aus dem rezeptfreien Bereich: eine Frau verlangte für ihren Mann das Pflanzenpräparat Umckaloabo. Seit Tagen leide er unter stetig schlimmer werdenden Halsschmerzen. Der Stiftung Warentest zufolge ist Umckaloabo nur bei akuter Bronchitis angeraten – nicht bei Erkältungen oder Halsschmerzen. 15 der 21 Vor-Ort-Apotheken gaben das Produkt nicht ab und empfahlen bessere Alternativen. Aber nur sechs der 17 Versender erkannten das Problem. Empfehlungen, mit den stets schlimmer werdenden Halsschmerzen doch einen Arzt aufzusuchen, gab es kaum.

Folgenreich hätte das dritte Beispiel ausgehen können: Im Testszenario bekommt ein zweieinhalbjähriges Mädchen plötzlich Brechdurchfall. Die Mutter fragt in den Apotheken nach, ob sie dem Kind Vomex-A-Zäpfchen geben darf. Sie geht in Apotheken und ruft Versender an. Die meisten Vor-Ort-Apotheken fragten zwar gründlich nach und gaben gute Empfehlungen. Die Versender berieten etwas schlechter. Doch vier örtliche Apotheken setzten die Vomex-A-Dosis fünfmal zu hoch an. Das hätte ernste Nebenwirkungen wie Krämpfe, Atemnot oder Halluzinationen zur Folge haben können.

„Apotheker, egal ob vor Ort oder im Versand, sind zu umfassender Beratung verpflichtet“, sagt Katrin Andruschow von der Stiftung Warentest. Eine Testerin habe berichtet, die Apothekerin habe verunsichert und hektisch gewirkt. Das merkt der Kunde – und wird misstrauisch. Bei Präparaten ohne ärztliche Verschreibung tragen Apotheker allein die Verantwortung für die Sicherheit der Patienten.

Viele Fehler wären nach Angaben der Stiftung Warentest einfach zu vermeiden gewesen; eine spezielle Apotheken-Software ermöglicht es sowohl den Versandapotheken als auch den Vor-Ort-Apotheken, Warnungen über Wechselwirkungen verschiedener Medikamente detailliert zu erkennen. „Versender scheinen diese Programme aber wohl häufiger zu benutzen als Vor-Ort-Apotheken“, sagt Andruschow.

Die Apotheker wollen den Test auswerten

Wie ist dieser Umstand zu erklären? Bei  der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg nimmt man die aktuellen Testergebnisse jedenfalls sehr ernst. „Die Qualität der Beratung ist uns sehr wichtig. Daher werden wir den Test genau durcharbeiten, und wenn es ableitbare Konsequenzen gibt, werden wir sie auch umsetzen“, sagt Patrick Schäfer, Bereichsleiter Aus-, Fort- und Weiterbildung der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg. Seit Jahren werden von der Kammer auch eigene Beratungschecks durchgeführt, wofür ebenfalls verdeckte Testeinkäufer losgeschickt werden. „Das Ergebnis wird dokumentiert und unmittelbar nach dem Test mit dem Überprüften besprochen. Wir setzen stark auf Coaching“, sagt Schäfer.

Dabei spiele auch das Thema Wechselwirkungen von Medikamenten eine große Rolle. Jeder Patient habe das Recht auf eine optimale Beratung. „Wichtig ist aber auch, dass der Patient eine offene Haltung hat“, sagt Schäfer. Zum Beispiel, indem er den Apotheker über alle Medikamente informiert, die er einnimmt. Manchmal seien die Apotheken voll, die Kunden wirkten gehetzt. Gute Beratung brauche aber Zeit. „Patienten sollten immer nachfragen, wenn es Unklarheiten gibt“, sagt Schäfer. Auch, wenn es eine lange Schlange im Laden gibt.

2010 haben die Warentester schon einmal überprüft, wie es um die Kompetenz von Vor-Ort-Apotheken und Versandhandelsapotheken bestellt ist. Im Vergleich zu damals haben Versandapotheken vor allem im Bereich der Beratung stark aufgeholt. Aber: von 17 getesteten Versandapotheken erhielten aktuell nur vier das Testurteil „gut“. Die übrigen schnitten befriedigend und ausreichend ab, der Versender Zur Rose erhielt ein „mangelhaft“ im Urteil. Testsieger bei den Versandapotheken ist die Deutsche Internet Apotheke. Laut Stiftung Warentest erkannten die Mitarbeiter sämtliche Wechselwirkungen.

Hinter jeder Versandapotheke in Deutschland steckt übrigens eine Vor-Ort-Apotheke. Auch Versandapotheken unterliegen der Apothekenbetriebsordnung, welche explizite Beratung zu „Aspekten der Arzneimittelsicherheit“ verlangt. Das Online-Geschäft boomt: 2012 orderten bereits 16 Millionen Kunden Medizin übers Netz.

Tipps für Apotheken-Kunden

Vorgehen
Da Patienten bisweilen von mehreren Ärzten verschiedenen Medikamente verordnet bekommen und auch in Eigenregie einkaufen, sind Apotheker jene, die den Wirkstoffmix am besten im Blick haben – zumindest, wenn stets die Apotheke des Vertrauens aufgesucht wird. Kundenkarten können in dem Fall sinnvoll sein – darauf werden oft alle Medikamente erfasst. Generell braucht Beratung Zeit, und die sollte eingeplant werden. Wer sich schlecht beraten fühlt, sollte eine Zweitmeinung einholen.

Sparen
Manche Präparate sind rezeptfrei, können aber verordnet und von der Kasse bezahlt werden: 43 Wirkstoffe stehen derzeit in der OTC-Ausnahmeliste. Diese Liste stellt der Gemeinsame Bundesausschuss der Krankenkassen, Ärzte und Krankenhäuser zusammen. Sie ist unter www.g-ba.de einsehbar. Sparen lässt sich auch mit Generika. Das sind Nachahmerprodukte von Originalen, deren Patent abgelaufen ist. Sie wirken gleich, sind aber preiswerter. Wer regelmäßig die gleichen Medikamente benötigt, spart beim Onlinekauf.

Sicherheit
Seriöse Versandapotheken sind im Versandapothekenregister zusammengefasst. Auf der Homepage des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information kann es unter www.dimdi.de eingesehen werden.