Stiftungen leiden unter der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Viele müssen ihre Anlagestrategie überdenken, wollen sie weiterhin ihren Zweck erfüllen. Die Bürgerstiftung Ludwigsburg denkt daran, eine Wohnanlage zu kaufen und die eingenommenen Mieten für den guten Zweck auszuschütten.

Ludwigsburg - Ein Spielmobil für den Stadtjugendring, ein Lesesaal für das Deutsch-Französische Institut, ein neuer Spieltisch für den Organisten der Stadtkirche, Reisekosten für den Tanzclub, ein Hip-Hop-Kurs der Theaterwerkstatt – so liest sich auszugsweise die Liste jener Projekte, die die Bürgerstiftung Ludwigsburger im Jahr 2015 finanziell unterstützt hat. Für 21 Anlässe hat die Stiftung insgesamt 150 000 Euro ausgeschüttet. In dem Maß Gutes zu tun wird für Stiftungen der Größe jener in Ludwigsburg in Zukunft jedoch immer schwieriger.

 

Schuld daran ist der Niedrigzins: Die Zinsflaute freut zwar große Investoren genauso wie Häuslebesitzer. Stiftungsräte hingegen ächzen unter der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und ihres Chefs Mario Draghi. Deretwegen tröpfeln die Euros auf die Stiftungskonten anstatt zu fließen. Laut Hannah Kreuzinger vom Regierungspräsidium Stuttgart (RP), „wird es angesichts der Zinssituation am Kapitalmarkt immer schwieriger, Erträge zu generieren“.

Ein Großspender hilft im ersten Jahr über Niedrigzinsphase

Die mit dem Satz „Private Mittel für Stiftungen immer wichtiger“ überschriebene Pressemitteilung der Bürgerstiftung Ludwigsburg klingt daher ein bisschen wie ein Hilferuf. Einen Hilferuf, den viele der gut 20 000 in Deutschland registrierten Stiftungen aussenden könnten. In Ludwigsburg sollen zunächst Einzelspenden den Rückgang der Zinserträge ausgleichen, so hofft es jedenfalls der Stadtkämmerer Ulrich Kiedaisch. Für das Jahr 2016 gelinge dies dank Rolf Breitling, dem ehemaligen Inhaber des gleichnamigen Ludwigsburger Bekleidungshauses, der anlässlich seines 80. Geburtstags „eine namhafte Spende“ an die Bürgerstiftung überwiesen habe.

Die Signale für die immer schwieriger werdende Situation im Stiftungswesen empfängt das RP als die dafür zuständige Aufsichtsbehörde schon länger. So geht die Zahl der neu anerkannten Stiftungen seit einiger Zeit merklich zurück: Im Jahr 2008 hat das RP für seinen Verantwortungsbereich noch 70 Neugründundungen registriert. 2015 waren das nur noch 24. Seit Jahresbeginn zählt das RP, das im Regierungsbezirk zurzeit 1254 Stiftungen zu betreuen hat, zehn Neugründungen.

Stiftungen dürfen bis zu 30 Prozent ihres Kapitals in Aktien anlegen

Ein weiteres Indiz für die Probleme der Wohltätigkeitsinstitutionen seien „die vermehrten Anfragen, was Stiftungen dagegen tun können“, sagt Hannah Kreuzinger. Als Rat bleibe in der Regel nur, „dass Stiftungen ihre Anlagestrategie überdenken“.

Einzelspenden wie jene an die Bürgerstiftung bilden dabei eine Maßnahme, die Not kurzfristig lindern kann. Laut Ulrich Kiedaisch setzten viele Stiftungen auf diese Strategie. Möglichkeiten bieten sich nur wenige, ohne dabei das Anlagerisiko merklich zu erhöhen. „Das Stiftungsrecht lässt einen Aktienanteil von 30 Prozent des Stiftungskapitals zu“, sagt dazu Hannah Kreuzinger. Mit diesem Wert sei der Bestand einer Stiftung noch nicht gefährdet.

Eine Stiftung aufzulösen geht eigentlich nicht

Die Bürgerstiftung Ludwigsburg wird vorerst nicht in Aktien investieren. „Wir haben von dieser Möglichkeit grundsätzlich abgesehen, weil unsere personelle Ausstattung nicht ausreicht, um permanent den Aktienmarkt zu beobachten“, sagt Ulrich Kiedaisch. Stattdessen gibt es Überlegungen, das Stiftungskapital „in Beton und Steine anzulegen“. Konkret werde erwogen, „ein mehrgeschossiges Wohngebäude zu kaufen und dann zu vermieten oder zu verpachten“, sagt der Stadtkämmerer. Mit diesen Einnahmen könnte dann der Stiftungszweck in ausreichendem Maß erfüllt werden, so der Plan.

Noch fließt derzeit über Darlehen Geld aufs Konto der Bürgerstiftung, die in zinslich besseren Zeiten der Stadt und Stadtwerken gewährt wurden.

Wenn eine Stiftung immer weniger erwirtschaftet, könnte man sie doch auch auflösen? So einfach geht das jedoch nicht, sagt Hannah Kreuzinger. „Stiftungen haben Ewigkeitscharakter.“ Erst wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft seien, „ist die Auflösung das allerletzte Mittel“.