Stimmung beim VfB Stuttgart So läuft es zwischen Alexander Wehrle und Sven Mislintat

Der Vorstandsvorsitzende Alexander Wehrle blickt voraus und plant beim VfB Stuttgart die Zukunft. Foto: Baumann/Julia Rahn

Der Vorstandsvorsitzende Alexander Wehrle hat sich für ein Modell mit Sven Mislintat entschieden. Der Sportdirektor identifiziert sich auch stark mit dem VfB Stuttgart – doch kommen die beiden Seiten in den Vertragsverhandlungen zusammen?

Sport: Carlos Ubina (cu)

Der Wind hat sich gedreht, und er bläst jetzt Alexander Wehrle ins Gesicht. Nicht eisig, aber heftig genug, um rund um den VfB Stuttgart ein paar Einschätzungen und Entwicklungen durcheinanderzuwirbeln. Dabei stellt sich für viele Anhänger nach der Euphorie im Sommer durch den in letzter Sekunde gesicherten Klassenverbleib schon zu Herbstbeginn nun die Frage, ob sich über dem Clubhaus mit dem roten Dach ein Sturm zusammenbraut oder ob lediglich eine kleine Fangruppe in ihrer Twitter-Blase sitzt, den Finger an der Windmaschine, um bei jeder Gelegenheit Stimmung gegen den Vorstandsvorsitzenden zu machen.

 

Wehrle, seit sechs Monaten im Amt und mit Vorschusslorbeeren aus Köln empfangen, nimmt dabei jede Stimme eines VfB-Fans ernst. Gerade in der Angelegenheit, die zuletzt die Aufregung beim Fußball-Bundesligisten ausgelöst hat und den Ursprung des Umschwungs darstellt: die Präsentation der Weltmeister Sami Khedira und Philipp Lahm als externe Berater des Vorstands und Aufsichtsrats sowie die Verpflichtung des langjährigen VfB-Kapitäns Christian Gentner als Leiter der Lizenzspieler. Grundsätzlich eine gute Sache für den VfB, die nach innen beruhigen und nach außen strahlen sollte.

Was beabsichtigt Alexander Wehrle?

Tut sie aber seit rund drei Wochen nicht. Jedenfalls nicht in Stuttgart, wo Wehrles Entscheidungen sogleich mit dem weiteren Engagement von Sportdirektor Sven Mislintat in Verbindung gebracht wurden. Inhaltlich zum einen, weil man die Installierung des Trios im Sinne von Mislintats Kritiker als längst überfälliges Korrektiv für den Kaderplaner verstehen kann. Kommunikationstechnisch zum anderen, weil der Sportchef erst sehr spät informiert wurde und sich dadurch nicht nur in der Mislintat-Fraktion schnell der Eindruck verfestigte, man wolle den selbstbewussten Westfalen loswerden.

Doch das will Wehrle nicht. Deshalb hat er seine Fehleinschätzung öffentlich eingeräumt. Beruhigt haben sich die Gemüter jedoch nicht, und die Verwunderung über sein Agieren besteht nicht nur in Internetforen. Der langjährige Fußballfunktionär will sich dennoch nicht von einzelnen Strömungen treiben lassen – weder für noch gegen Mislintat. Für ihn gehören zur Gesamtstimmung das Meinungsbild der mehr als 76 000 Vereinsmitglieder, die Reaktionen der aktiven Fanszene, die Positionierungen in der Stadtgesellschaft und der Eindruck auf Sponsoren und Partner. Dazu macht sich der 47-Jährige gern sein eigenes Bild über die Situation – auch von der Zusammenarbeit mit Mislintat.

Nach persönlichen Erfahrungen, der kritischen Saisonanalyse und der intensiven Transferzeit hat sich Wehrle schließlich für ein Modell mit Mislintat und ohne externen Sportvorstand entschieden, plus zusätzlicher Expertise. Das sollte die Botschaft sein, die vom Aufsichtsrat der VfB AG mit Präsident Claus Vogt an der Spitze abgesegnet wurde. Im Prinzip strebt der Vorstandsvorsitzende also eine Vertragsverlängerung mit dem Sportdirektor über 2023 hinaus an. Jetzt versteht Wehrle seinen Job jedoch so, dass er dies nicht um jeden Preis tun wird und er sich erst am Anfang der Verhandlungen befindet.

Der VfB-Boss stellt sich dabei häufig die Frage, was passiert eigentlich, wenn der geschätzte Sportdirektor plötzlich dem Lockruf eines anderen Clubs folgt? Für diesen Fall möchte Wehrle vorbereitet sein. Und ausgeschlossen ist in dieser Branche ja nichts, doch Mislintat identifiziert sich stark mit dem VfB. Er verhält sich dem Verein gegenüber loyal, wenngleich Diskussionen über Konzepte und Spieler mit ihm großen Herausforderungen gleichen. Der 49-Jährige ist ein Überzeugungstäter, und er ist überzeugt, in Stuttgart mit überschaubaren Mitteln eine erfolgreiche Mannschaft bauen zu können. Noch – und wenn man ihn lässt.

Was will Sven Mislintat?

Im Prinzip will deshalb auch Mislintat in Stuttgart weiterarbeiten. Doch was macht es mit einem Sportdirektor, der in einer wichtigen Personalie, die direkt seinen Bereich betrifft (Gentner), nicht mitgenommen wird? Zumal das Anforderungsprofil der neuen Stelle nicht feststeht. Mislintat hat sich nach der Aussprache mit Wehrle für den Schulterschluss entschieden. Für viele Fans ist das, was rund um das 1:3 gegen Eintracht Frankfurt vor zwei Wochen an Einigkeit demonstriert wurde, allerdings nur ein Scheinfriede.

Ob dieser über den Winter hinaus Bestand hat, wird sich zeigen, wenn sich Wehrle und Mislintat am Verhandlungstisch gegenübersitzen. Der Sportdirektor will seine Entscheidungsmöglichkeiten nicht beschnitten sehen und denkt darüber nach, doch den Posten des Sportvorstands anzunehmen. Dann stünde er auf der gleichen Hierarchieebene wie Wehrle, müsste jedoch vom Aufsichtsrat dazu bestellt werden. Doch Wehrle beabsichtigt gar nicht, Mislintats Frei- und Gestaltungsraum einzuschränken. Er forciert eine breitere sportliche Kompetenz. Als besten Beleg für seine Absicht, mit Mislintat in die Zukunft zu gehen, sieht der Vorstandschef dabei die jüngste Vergangenheit. 17 Transfers haben sie zuletzt gemeinsam abgewickelt – und die Frage wird sein, ob noch weitere hinzukommen.

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